Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II nach einer Aufwärtsverschmelzung
KurzbesprechungUmwStG § 21 Abs. 1
Der Steuerpflichtige und A waren mit Anteilen von jeweils 50 % an der A - GmbH, deren Stammkapital 25.000 € betrug, beteiligt. Die Anteile wurden zu einem Gesamtkaufpreis von 27.500 €, was auch dem Buchwert entsprach, erworben.
Mit notariellem Vertrag aus 2011 wurde das Stammkapital der T - GmbH, an welcher der Steuerpflichtige und A ebenfalls zu je 50 % beteiligt waren, von 25.600 € auf 27.600 € erhöht. Dabei übernahmen der Steuerpflichtige und A die zwei neu gebildeten Gesellschaftsanteile in Höhe von jeweils 1.000 € und erbrachten ihre Einlage durch Einbringung ihrer Anteile an der A - GmbH; angesetzt wurden die Buchwerte. Der gemeine Wert der Anteile an der A - GmbH betrug zum 31. 12. 2011 30.121,74 €.
Mit Wirkung zum 31.12. 2011 wurde die A - GmbH --gleichfalls zu Buchwerten - auf die T GmbH verschmolzen ("Verschmelzung zur Aufnahme", Aufwärtsverschmelzung).
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 gab der Steuerpflichtige einen Veräußerungsgewinn aus diesem Vorgang in Höhe von 1.310 € an, den er unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens mit 787 € ansetzte und der vom FA so übernommen wurde.
Im Klageverfahren machte er mit Erfolg geltend, dass die Verschmelzung nicht zu einem Einbringungsgewinn i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 des UmwStG 2006 a.F. geführt habe. Der BFH entschied im Revisionsverfahren jedoch, dass der Einbringungsgewinn der Besteuerung unterliegt.
Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft (erworbene Gesellschaft) in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft eingebracht (Anteilstausch), hat die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 a.F. grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Abweichend können die eingebrachten Anteile auf Antrag mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, angesetzt werden, wenn die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat (qualifizierter Anteilstausch, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 a.F.).
Soweit im Rahmen eines solchen Anteilstauschs unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar veräußert werden und soweit beim Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 (KStG steuerfrei gewesen wäre, ist nach § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 a.F. der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr der Einbringung rückwirkend als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen zu versteuern (Einbringungsgewinn II). Der Einbringungsgewinn II wird in § 22 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 a.F. definiert als der Betrag, um den der gemeine Wert der eingebrachten Anteile im Einbringungszeitpunkt nach Abzug der Kosten für den Vermögensübergang den Wert, mit dem der Einbringende die erhaltenen Anteile angesetzt hat, übersteigt, vermindert um jeweils ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr.
Die Sätze 1 bis 5 des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 a.F. gelten entsprechend, wenn die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ihrerseits durch einen Vorgang nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG 2006 a.F. weiter überträgt (§ 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 2006 a.F.). Die Rechtsfolgen des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 a.F. werden damit insbesondere ausgelöst, wenn die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile unmittelbar oder mittelbar unentgeltlich auf eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft überträgt (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG 2006 a.F.) oder wenn die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile entgeltlich überträgt, es sei denn sie weist nach, dass die Übertragung durch einen Vorgang i.S. des § 20 Abs. 1 oder § 21 Abs. 1 UmwStG 2006 a.F. oder aufgrund vergleichbarer ausländischer Vorgänge zu Buchwerten erfolgte (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F.).
Im Streitfall stand der Einordnung der Einbringung der Anteile an der A - GmbH in die T - GmbH gegen Gewährung neuer Anteile an den Steuerpflichtigen als qualifizierter Anteilstausch i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UmwStG 2006 a.F. weder entgegen, dass im Streitfall die übernehmende Gesellschaft vor der Einbringung keine Anteile an der erworbenen Gesellschaft inne hatte, noch, dass jeweils hälftige Beteiligungen - nicht aber eine einheitliche Mehrheitsbeteiligung - eingebracht wurden. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass die übernehmende Gesellschaft "nach der Einbringung" - und damit unter Berücksichtigung sämtlicher eingebrachter Anteile - insgesamt die Stimmrechtsmehrheit hat.
Unerheblich war im Streitfall, ob die die Stimmrechtsmehrheit vermittelnden Anteile in einem zeitlichen Zusammenhang eingebracht werden müssen oder ob darüber hinaus ein einheitlicher Einbringungsvorgang zu fordern ist. Sowohl der Beschluss über die Kapitalerhöhung der T - GmbH und die Ausgabe neuer Anteile an die Gesellschafter als auch die Einbringung der Anteile an der A - GmbH wurden im Streitfall in demselben notariellen Vertrag - und damit im Rahmen eines einheitlichen Vorgangs - vereinbart und vollzogen.
Die eingebrachten Anteile an der A - GmbH wurden im Streitfall i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 a.F. veräußert. Unter einer Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 a.F. ist - jedenfalls soweit unmittelbare Veräußerungen betroffen sind - grundsätzlich die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen. Zudem folgt aus dem Umstand, dass durch die - wenn auch negative - Bezugnahme auf § 8b Abs. 2 KStG dessen Definition des Veräußerungsgewinns - und damit auch der Begriff des Veräußerungspreises - für die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 a.F. vorausgesetzt wird und zugleich in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 2006 a.F. die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 2 Sätze 1 bis 5 UmwStG 2006 a.F. für die unentgeltliche Übertragung durch die übernehmende Gesellschaft angeordnet wird, dass die Veräußerung entgeltlich - d.h. gegen eine Gegenleistung - erfolgen muss.
Nach diesen Maßstäben kommt es im Fall einer Aufwärtsverschmelzung aus Sicht der Muttergesellschaft zu einer Veräußerung der Anteile an der Tochtergesellschaft. Erhält ein Anteilseigner im Zuge einer Verschmelzung der Körperschaft, an der er beteiligt ist, auf eine andere Körperschaft Anteile dieser (anderen) Körperschaft, so ist dies - obwohl die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger untergehen und es insoweit zu keinem Rechtsträgerwechsel kommt - aus der Sicht dieses Anteilseigners einem Tausch der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen die Anteile an der übernehmenden Körperschaft gleichzustellen und damit - in Bezug auf die Anteile am übernehmenden Rechtsträger - als entgeltlicher Erwerb sowie - soweit die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger betroffen sind - als entgeltliche Veräußerung zu beurteilen.
Diese Erwägungen sind auf Fälle übertragbar, in denen - wie vorliegend - die Gesellschaft, deren Anteile eingebracht wurden, auf den alleinigen Anteilseigner als übernehmenden Rechtsträger verschmolzen wird. Zwar entstehen im Rahmen einer (Aufwärts-)Verschmelzung auf den alleinigen Anteilseigner (Muttergesellschaft) keine neuen Anteile. Jedoch geht das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers (Tochtergesellschaft) einschließlich der Verbindlichkeiten im Rahmen der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge auf die Muttergesellschaft über. "Im Gegenzug" gehen die von ihr gehaltenen Anteile an der Tochtergesellschaft unter. Somit stellt sich die Aufwärtsverschmelzung aus Sicht der Muttergesellschaft als ein tauschähnlicher Vorgang dar, der einer Veräußerung der Anteile gleichzustellen ist.
BFH, Urteil vom 24.1.2018, I R 48/15, veröffentlicht am 28.6.2018