01.07.2013

Sanierungen müssen allgemein anerkannten aktuellen Stand der Technik beachten

Bei Vorliegen gravierender Mängel der Bausubstanz genügt den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) nur eine den allgemein anerkannten Stand der Technik sowie die Regeln der Baukunst beachtende Sanierung. DIN-Normen tragen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, weshalb solche Sanierungen grundsätzlich DIN-gerecht auszuführen sind.

BGH 24.5.2013, V ZR 182/12
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin beabsichtigte die früher als Trockenboden genutzte Einheit zu einer Wohnung auszubauen. Nach § 21 der Teilungserklärung ist der jeweilige Eigentümer einer solchen Einheit unter näher bezeichneten Voraussetzungen befugt, die seiner Berechtigung unterliegenden Dachgeschossbereiche auf eigene Kosten zu Wohnzwecken auszubauen und die neu geschaffenen Räume von Teileigentum in Wohnungseigentum umzuwandeln.

Nach einem von der Klägerin eingeholten Gutachten der Sachverständigen S. war die Dach- und Deckenkonstruktion mit "echtem Hausschwamm" und sonstigen holzzerstörenden Pilzen befallen. Es wurde eine Sanierung nach DIN 68800 empfohlen. Demgegenüber kam der von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragte Sachverständige M. zu dem Ergebnis, es lägen allenfalls leichte Schäden der Deckenkonstruktion vor. Die von ihm empfohlenen Sanierungsmaßnahmen seien fachlich nicht auf das Notwendige beschränkt. Infolgedessen wurde auf der Eigentümerversammlung im September 2009 eine von der DIN 68800 abweichende Sanierung "gemäß den Vorgaben des Sachverständigen M." beschlossen.

AG und LG gaben der hiergegen gerichteten Klage weitestgehend statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Die Frage, ob nur eine Sanierung nach der DIN 68800 den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist unter Heranziehung der jeweils aktuellen Fassung der DIN-Norm zu klären. Jedenfalls bei noch vorzunehmenden Sanierungsarbeiten trägt nur die aktuelle Fassung die Vermutung in sich, dass der Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben wird, zumal den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung in aller Regel nur genügt sein wird, wenn Sanierungsmaßnahmen den im Zeitpunkt ihrer Durchführung maßgebenden Standards entsprechen.

Da DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, führte dies im rechtlichen Ausgangspunkt dazu, dass solche Sanierungen nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn sie DIN-gerecht durchgeführt werden. Diese Vermutung kann jedoch entkräftet werden. Nur wenn dies gelingt, bleibt bei der Ausübung des den Wohnungseigentümern (§ 21 Abs. 3 WEG) bzw. dem Richter (§ 21 Abs. 8 WEG) eingeräumten Gestaltungsermessens Raum für eine von DIN-Normen abweichende Sanierung.

DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können, weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnis in einem ständigen Wandel begriffen sind. Von daher liegt es in der Natur der Sache, dass in DIN-Normen empfohlene Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik beschreiben, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse andere - geeigneter erscheinende - Methoden an deren Stelle treten, was zur Verteuerung, aber auch zur Verbilligung von Sanierungen führen kann. Ob es sich so verhält, kann zuverlässig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden.

So lag der Fall auch hier. Die Revision verwies darauf, dass die Beklagten im Hinblick auf neuere - für den Sanierungsaufwand entscheidende - biologische Erkenntnisse über Holzschädlinge bestritten, dass die DIN 68800 (noch) die "allgemein anerkannten Konstruktionsgrundsätze" wiedergab, und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt wurde. Zwar kann ein Gericht von der an sich erforderlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eigener Sachkunde absehen. Das setzt jedoch voraus, dass die Sachkunde des Gerichts den Parteien vor der Entscheidung bekannt gemacht und zudem im Urteil im Einzelnen dargelegt wurde. Daran fehlte es hier allerdings. Ebenso verhielt es sich, soweit das Berufungsgericht seine Erwägungen auf gerichtsbekannte Tatsachen stützte. Somit konnten die Berufungsurteile keinen Bestand haben.

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