Schadensersatz für ein beschädigtes Taxi im Wege der fiktiven Schadensabrechnung
BGH 23.5.2017, VI ZR 9/17Der Kläger war seinerzeit Taxiunternehmer. Bei dem Verkehrsunfall im August 2013 hatte sein Taxi Mercedes Benz E 200 mit einer Erstzulassung aus dem Jahr 1999 und einer Gesamtlaufleistung von knapp 280.000 km einen Schaden im Frontbereich erlitten. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger rechnete mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten auf Gutachtenbasis i.H.d. fiktiven Ersatzbeschaffungskosten ab. Nach dem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten betrugen - bei geschätzten Reparaturkosten von 4.590 € - der Wiederbeschaffungswert eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Taxiausrüstung 2.800 € brutto, die Kosten für die Umrüstung als Taxi zusätzlich 1.835 €.
Die Parteien stritten im Nachhinein nur noch über die Frage, ob der Kläger diese fiktiven Umrüstungskosten erstattet verlangen kann. Der Kläger hat sein Taxiunternehmen zwischenzeitlich aufgegeben und das Unfallfahrzeug im Februar 2014 verkauft. Das AG wies die Klage hinsichtlich der Umrüstungskosten ab, im Übrigen gab es der Klage im Wesentlichen statt. Das LG kürzte die Zahlungsforderung um einzelne, für das Revisionsverfahren nicht relevante Positionen; die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe:
Zwar war das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Ersatzanspruch des Klägers bei - wie hier - fiktiver Ersatzbeschaffung auf die Wiederbeschaffungskosten beschränkt ist. Dabei hatte es jedoch dem Begriff des Wiederbeschaffungswertes eine falsche Bedeutung beigemessen.
Bei einem Schaden an einem Kfz kann der Geschädigte grundsätzlich auf zweierlei Weise Naturalrestitution erreichen: Er kann die Kosten für die Reparatur oder für die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs verlangen. Auch die letztere Art der Schadensbeseitigung ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat und woran er weiter festhält, eine Form der Naturalrestitution. Entscheidet sich der Geschädigte - wie hier - für eine Abrechnung auf Gutachtenbasis i.H.d. Kosten einer fiktiven Ersatzbeschaffung, bemisst sich sein Ersatzanspruch nach ständiger BGH-Rechtsprechung auf den Wiederbeschaffungsaufwand, d.h. auf die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert des Unfallwagens in unbeschädigtem Zustand und dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs.
Maßgebend ist insofern und im Unterschied zur bloßen Wertkompensation nach § 251 BGB weder der Abschreibungswert noch der Preis, den der Geschädigte beim Verkauf des Unfallfahrzeugs in unbeschädigtem Zustand erzielt hätte (Zeit- oder Veräußerungswert), sondern der - bei Fehlen eines funktionierenden Marktes unter Umständen höhere - Preis, den der Geschädigte beim Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs aufwenden müsste. Infolgedessen wären die auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu zahlenden Mehrkosten für ein Fahrzeug mit Taxiausrüstung gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug ohne Taxiausrüstung ohne weiteres vom Wiederbeschaffungswert umfasst und damit ersatzfähig.
Nichts anderes kann gelten, wenn - wie hier - ein Markt für die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs mit Taxiausrüstung nicht existiert. Die notwendigen Kosten für die Umrüstung des Ersatzfahrzeugs zu einem Taxi sind dann - im Unterschied zu dem vom Berufungsgericht herangezogenen Fall der Umrüstung eines Oldtimer-Unikats (BGH-Urt. v. 2.3.2010, Az.:VI ZR 144/09) - als zusätzlicher Rechnungsposten in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einzustellen. Bei der Umrüstung eines Gebrauchtwagens zu einem Taxi handelt es sich nämlich nicht um die bloße Übertragung individueller Ausstattungsmerkmale ohne objektivierbaren wirtschaftlichen Wert, sondern um den Einbau von durch Rechtsverordnung (§§ 25 ff. Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr [BOKraft], zuletzt geändert durch Art. 483 Zehnte Zuständigkeitsanpassungsverordnung 2015, vorgeschriebenen besonderen Ausrüstungs- und Beschaffenheitselementen.
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