Scheidung vor deutschem Familiengericht und Scharia-Gericht nicht gleichzeitig möglich
OLG Hamm 6.1.2017, 3 UF 106/16Die am Verfahren beteiligten Eheleute stammen aus dem Libanon. Im Oktober 2009 hatten sie vor einem sunnitischen Scharia-Gericht im Libanon geheiratet. Anschließend lebten sie in Deutschland. Im November 2013 wurde die gemeinsame Tochter geboren, im Juli 2014 trennten sich die Eheleute.
Im April 2015 beantragte die Ehefrau die Scheidung wegen nachgewiesenen Verschuldens des Ehemanns ("al tafreeq") und die Leistung einer Abendgabe beim zuständigen Scharia-Gericht in Jiyeh im Libanon. Im September 2015 stellte sie einen Scheidungsantrag beim AG - Familiengericht - infolgedessen im Dezember 2015 ein deutsches Scheidungsverfahren rechtshängig wurde. In diesem hatte der Ehemann die Zurückweisung des Scheidungsantrags beantragt, weil er nicht geschieden werden wollte und im Libanon zu Unrecht auf Zahlung einer Abendgabe verklagt worden sei.
Nachdem die Ehefrau bei ihrer Anhörung durch das Familiengericht im Mai 2016 angegeben hatte, im Libanon laufe noch ein Verfahren auf ʺTrennung und Zahlung der Brautgabeʺ, hat das Gericht die beantragte Scheidung ausgesprochen und die Durchführung des Versorgungsausgleichs angeordnet. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das OLG den Beschluss aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Familiengericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Dem deutschen Ehescheidungsverfahren stand ein Verfahrenshindernis entgegen, der den angefochtenen Beschluss unzulässig machte. Die Ehefrau war nämlich beim Abschluss der mündlichen Verhandlung vor dem deutschen Familiengericht aus prozessualen Gründen daran gehindert, einen zulässigen und wirksamen Scheidungsantrag zu stellen.
Zwar waren das deutsche Familiengericht und ihm folgend der Senat für Scheidungsverfahren wie das vorliegende grundsätzlich international zuständig und auch befugt, eine nach dem Scharia-Recht im Libanon geschlossene Ehe zu scheiden. Hieran waren sie im vorliegenden Fall allerdings aufgrund des parallelen, von der Ehefrau im Libanon vor dem Scharia-Gericht anhängig und rechtshängig gemachten Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens gehindert.
Die Überprüfung der zu diesem Verfahren vorgelegten Urkunden hat ergeben, dass die Ehefrau in dem Verfahren ebenfalls die Scheidung begehrt hatte und das Scheidungsverfahren vor dem Scharia-Gericht früher durch Zustellung des Antrags an den Ehemann rechtshängig geworden war als das deutsche Scheidungsverfahren. Infolgedessen stand dem deutschen Ehescheidungsverfahren der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Es muss ausgesetzt werden und kann erst nach Abschluss des Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens im Libanon fortgesetzt werden.
Linkhinweis:
-
Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.