Schmerzensgeld für Mutter nach Zeugung eines Kindes mit Sperma von falschem Samenspender
OLG Hamm 19.2.2018, 3 U 66/16Die in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebende Klägerin schloss im Jahre 2006 mit den beklagten Ärzten einen Behandlungsvertrag, der eine heterologische Insemination vorsah. Nach der künstlichen Befruchtung mit Samen eines der Klägerin unbekannten Spenders gebar sie im Januar 2007 ein Mädchen, das ihre Lebenspartnerin im Jahre 2008 als gemeinschaftliches Kind annahm.
Ende 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagten und wünschte eine weitere heterologe Insemination zur Zeugung eines zweiten Kindes, das von demselben Vater abstammen sollte wie die zuvor geborene Tochter. Dem lag der Wunsch der Klägerin zugrunde, Vollgeschwister als Kinder zu haben. Im Jahre 2008 ließ die Klägerin die Insemination von den Beklagten durchführen, wiederum mit Samen eines der Klägerin unbekannten Spenders. Daraufhin wurde im Januar 2009 ein Junge geboren. Im August 2011 erfuhr die Klägerin, dass sie nicht von demselben Spender gezeugt worden waren.
Aufgrund dieses Umstandes verlangte die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld. Die Klägerin, die sich zwischenzeitlich von ihrer Lebensgefährtin getrennt hat, behauptet, die Nachricht, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister seien, habe bei ihr eine körperlich-psychische Belastungssituation mit Erschöpfungszuständen, depressiven Episoden und Schuldgefühlen gegenüber beiden Kindern ausgelöst. Die Belastung habe eine psychologische Behandlung notwendig gemacht. Die Beklagten bestreiten demgegenüber die von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Folgen und verweisen auf andere mögliche Ursachen, insbesondere auf die Trennung von der Lebensgefährtin.
Das LG gab der Klage teilweise statt und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.500 € zu. Es stellte nach Vernehmung der die Klägerin behandelnden Psychotherapeutin und Auswertung von Krankenunterlagen die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen fest. Diese seien auch auf die vertragliche Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen, nach der die Kinder nicht von demselben Spender abstammten.
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten hatten vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Den Klägern stehen die tenorierten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld zu.
Es kann insoweit offenbleiben, ob der haftungsbegründende Schaden der Klägerin bereits in der zweiten Insemination liegt, die pflichtwidrig mit dem falschen Sperma durchgeführt worden ist und nicht von der Einwilligung der Klägerin gedeckt war. Jedenfalls haften die Beklagten für die körperlich-psychischen Auswirkungen der Pflichtverletzung, die die Klägerin selbst getroffen haben. Dabei ist die Situation der Klägerin, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht mit einem sog. Schockschaden vergleichbar, der etwaige Beeinträchtigungen aus dem Miterleben der Schädigung eines Anderen erfasst. Vielmehr ist die Klägerin selbst gesundheitlich betroffen, die zu ihrer Behandlung notwendige psychotherapeutische Langzeittherapie ist durch die Pflichtverletzung der Beklagten mitverursacht worden. Für diese hat das LG zu Recht ein Schmerzensgeld von 7.500 € zugesprochen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, die bei den Beklagten vorhandene Kartei mit den Daten der Samenspender (Name, Geburtsdatum, Wohnort etc.) einzusehen. Bei der Kartei handelt es sich - anders als bei der aus medizinischen Gründen notwendigen Dokumentation der Blutgruppe eines Spenders in den Behandlungsunterlangen der Klägerin - nicht um Krankenunterlagen (§ 630f BGB), die die Behandlung der Klägerin betreffen.
Weiterhin können die beiden ebenfalls klagenden Kinder der Klägerin von den Beklagten Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters verlangen. Diese Auskunft können Eltern für ihr Kind begehren, wenn sie das Kind zu einem späteren Zeitpunkt über die Identität des Erzeugers aufklären wollten, ohne einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang zwischen Erlangen der Information und der Weitergabe an das Kind nennen zu müssen. Zudem gibt es im vorliegenden Fall keinen Anlass von dem vom BGH aufgestellten Grundsatz abzuweichen, wonach dem Auskunftsrecht des Kindes als Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Vorrang einzuräumen ist gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Spender, denen die Behandler Anonymität zugesichert haben.
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