22.09.2015

Schriftsätze: Auf Fax geklebte zuvor ausgeschnittene Blanko-Unterschrift des Prozessbevollmächtigten ist nicht eigenhändig

Die aus einem Blankoexemplar ausgeschnittene und auf die Telefax- Vorlage eines bestimmenden Schriftsatzes (hier: Berufungsschrift und Berufungsbegründung) geklebte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten einer Partei erfüllt nicht die an eine eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5 ZPO zu stellenden Anforderungen.Die aus einem Blankoexemplar ausgeschnittene und auf die Telefax- Vorlage eines bestimmenden Schriftsatzes (hier: Berufungsschrift und Berufungsbegründung) geklebte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten einer Partei erfüllt nicht die an eine eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5 ZPO zu stellenden Anforderungen.

BGH 27.8.2015, III ZB 60/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 1.275 € im Zusammenhang mit einem zwischen den Parteien geschlossenen Unterrichtsvertrag in Anspruch. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 13.9.2013 antragsgemäß. Nach Einspruch wurde das Versäumnisurteil ganz überwiegend aufrechterhalten. Das Urteil vom 25.11.2013 wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt S., am 21.12.2013 zugestellt. Hiergegen wurde mit Telefax vom 21.1.2014 unter dem Briefkopf des Prozessbevollmächtigten der Beklagten Berufung eingelegt. Innerhalb verlängerter Frist gingen am 25.4. und 29.4.2014 unter gleichem Briefkopf das Rechtsmittel begründende Schriftsätze per Telefax bei dem LG ein. Sämtliche Schriftsätze weisen eine als "S." lesbare Unterschrift auf, wobei oberhalb der Unterschrift jeweils eine horizontal verlaufende Linie erkennbar ist.

Nachdem das LG die Beklagte aufgefordert hatte, das Zustandekommen der Unterschriften zu erläutern, teilte Rechtsanwalt G., der damals Mitarbeiter in der Kanzlei S. war und später die anwaltliche Vertretung der Beklagten übernommen hat, mit Schriftsatz vom 16.7.2014 mit, er habe die Angelegenheit bearbeitet. Auf Wunsch der Mandantin und mit Einverständnis von Rechtsanwalt S., der alle Schriftsätze gekannt habe, habe er am 21.1.2014 gemäß seinem handschriftlichen Entwurf Berufung eingelegt. S. habe auf einem leeren Blatt seine Unterschrift geleistet. Da deren Position nicht genau gepasst habe, habe er die Unterschrift ausgeschnitten, auf den Berufungsschriftsatz geklebt und an das LG gefaxt. Bei den beiden Schriftsätzen zur Berufungsbegründung sei - nach Billigung der hand-schriftlichen Entwürfe durch S. - in gleicher Weise verfahren worden.

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 16.7.2014 hat S. diese Schilderung bestätigt und ergänzend ausgeführt, die handschriftlichen Entwürfe der Schriftsätze vom 21.1. sowie vom 25. und 29.4.2014 seien von ihm geprüft und gebilligt und anschließend von Rechtsanwalt G. (am PC) in Reinschrift getippt worden. Das Ausschneiden und Aufkleben der blanko gegebenen Unterschriften sei mit seinem Einverständnis erfolgt. Mit Hinweisverfügung vom 21.7.2014 - zugestellt am 25.7.2014 - äußerte das LG Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer lediglich "aufgeklebten" Unterschrift. Daraufhin beantragte Rechtsanwalt G. mit am 8.8.2014 eingegangenem Telefax, der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die etwaige Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

Das LG verwarf die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten wurde vom BGH als unzulässig verworfen.

Die Gründe:
Das LG hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Es hat dabei die Anforderungen an eine wirksame eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr. 6 ZPO nicht in einer Art und Weise überspannt, die das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzen würde.

Gem. § 130 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5 ZPO müssen die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung als bestimmende Schriftsätze grundsätzlich von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein müssen.

Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift entfällt nicht dadurch, dass die Berufung - was zulässig ist - per Telefax eingelegt und begründet wird. In diesem Fall genügt zwar die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie, jedoch muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln. Die Wirksamkeit der Prozesshandlung setzt somit voraus, dass die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden ist und dessen Unterschrift auf der Kopie wiedergegeben wird. Auch eine Blankounterschrift ist grundsätzlich geeignet, die Form zu wahren. Dabei muss allerdings gewährleistet sein, dass der Rechtsanwalt den Inhalt des noch zu erstellenden Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bereits vorab bestätigen konnte.

Danach ist das LG zu Recht davon ausgegangen, dass die von Rechtsanwalt G. aus dem jeweiligen Blankoexemplar ausgeschnittenen und auf die Telefax-Vorlage geklebten Unterschriften des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht geeignet waren, die an eine eigenhändige Unterschrift nach § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5 ZPO zu stellenden Anforderungen zu erfüllen. Vielmehr hat Rechtsanwalt G. die Unterschrift aus dem Blankoexemplar ausgeschnitten und auf einen Schriftsatz geklebt, dessen Inhalt dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nur als handschriftlicher Entwurf bekannt war. Auf diese Weise ist eine Collage entstanden, die auch mittels einer früheren, in ganz anderem Zusammenhang geleisteten Unterschrift hätte erstellt werden können und die es ermöglichte, die ausgeschnittene Unterschrift - je nach Festigkeit der Klebeverbindung - ggf. mehrfach zu verwenden.

Es war ebenso wie bei einer eingescannten Unterschrift nicht gewährleistet, dass S. die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschriftsätze übernommen hatte und es sich nicht lediglich um ungeprüfte Entwürfe handelte.

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