14.03.2018

Schüleraufenthalt auf Militärbasis in den USA kann einer geeigneten Gastfamilie "mittlerer Art und Güte" entsprechen

Für die Frage, ob eine Familie als Durchschnittsfamilie des Gastlandes anzusehen ist, kommt es nicht in erster Linie auf den Beruf der Gasteltern an. Auch das Leben auf einer zugangsbeschränkten Militärbasis begründet für sich gesehen nicht die Ungeeignetheit, weil in den USA viele Menschen in sog. Gated Communities leben.

LG Düsseldorf 5.3.2018, 22 O 2/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der beklagten Vermittlungsagentur für Gastschulaufenthalte ein Gastschuljahr in den USA gebucht. Noch vor Antritt der Reise im Sommer 2016 erfuhr der Sohn des Klägers, dass die vermittelte Gastfamilie auf einer Militärbasis in der Nähe von Spokane/Washington wohnte. Diese Basis war bis zum Jahr 1990 Lagerort von nuklearen Sprengköpfen gewesen. Am 20.6.1994 hatte es dort einen Amoklauf mit vier Toten und 22 Verletzten gegeben; vier Tage später war ein Flugzeug während einer Flugshow abgestürzt mit vier Toten. Seit dem 15.8.2016 war der Zutritt zur Militärbasis nur noch mit einem Berechtigungsausweis möglich.

Mit dieser Gastfamilie war der Kläger nicht einverstanden. Auf seinen Widerspruch bot die beklagte Vermittlungsagentur die Unterbringung des Sohnes bei einer alleinstehenden Gastmutter mit einem erwachsenen Sohn an, was der Kläger wiederum ablehnte. Der Kläger trat vom Vermittlungsvertrag zurück und verlangte die vollständige Rückzahlung des Reisepreises von insgesamt 13.275 €. Die Beklagte erstattete lediglich 765 € für die nicht erfüllte Staatenwahl und 48 % des Restpreises i.H.v. rund 6.004 €.

Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf vollständige Rückzahlung, denn seine Kündigung war unwirksam. Schließlich war die Leistung der Vermittlungsagentur nicht mangelhaft. Die dem Gastschüler vermittelte Gastfamilie, die in den USA auf einer Militärbasis lebt, ist vertragsgerecht.

Nach § 651 l Abs. 2 Nr. 1 BGB muss eine Gastfamilie für eine bei Mitwirkung des Gastschülers nach den Verhältnissen des Aufnahmelandes angemessene Unterbringung, Beaufsichtigung und Betreuung des Gastschülers geeignet sein. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber gewollt, dass der Schüler aus pädagogischen Gründen in einer zufällig ausgewählten Familie, gewissermaßen einer Familie "mittlerer Art und Güte" untergebracht wird. Und dass die Gastmutter als Mitarbeiterin der Krankenhausverwaltung Militärangehörige ist und Uniform trägt, macht die Familie nicht als Gastfamilie ungeeignet.

Für die Frage, ob eine Familie als Durchschnittsfamilie des Gastlandes anzusehen ist, kommt es nicht in erster Linie auf den Beruf der Gasteltern an. Auch das Leben auf einer zugangsbeschränkten Militärbasis begründet für sich gesehen nicht die Ungeeignetheit, weil in den USA viele Menschen in sog. Gated Communities leben. Es ist dem Gastschüler daher zuzumuten, dass damit der spontane Besuch eines Mitschülers erschwert oder gar unmöglich wird.

Die mehr als 20 Jahre zurückliegende Lagerung von Atomwaffen, der Amoklauf und der Flugzeugabsturz stellen kein Indiz dafür dar, dass das Leben auf dieser Militärbasis besonders gefährlich ist. Schließlich entspricht auch eine alleinstehende Gastmutter mit erwachsenem Sohn durchschnittlichen Lebensverhältnissen in den USA und kann eine angemessene Unterbringung gewährleisten.

LG Düsseldorf Pressemitteilung vom 5.3.2018