02.04.2014

Schwerwiegende berufsrechtliche Verfehlungen dürfen auch nichtanonymisiert in Fachmedien veröffentlicht werden

Eine berufsgerichtliche Entscheidung, mit der besonders schwerwiegende berufsrechtliche Verfehlungen sanktioniert werden, darf auf entsprechender gesetzlicher Grundlage kraft richterlicher Anordnung auch nichtanonymisiert im Ärzteblatt veröffentlicht werden. Die Ermächtigung zur Veröffentlichung findet seine Rechtfertigung in einem berechtigten Interesse an einer Information der Allgemeinheit, insbesondere der Gemeinschaft der Versicherten, wie auch der Kammerangehörigen, die sodann ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung steuern können.

BVerfG 3.3.2014, 1 BvR 1128/13
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Facharzt. Die Ärztekammer hatte ihm vorgehalten, er habe gegenüber Privatpatienten Rechnungen erstellt, die nicht in Einklang mit der Gebührenordnung für Ärzte stünden. So habe er den Begriff der "Sitzung" i.S.d. Gebührenordnung dahingehend zu seinem Vorteil ausgelegt, dass Sitzungen auch an Tagen stattgefunden hätten, an denen die Patienten nicht in der Praxis waren.

Das Berufsgericht für Heilberufe stellte daraufhin fest, dass der Beschwerdeführer in allen vier zur Verhandlung stehenden Fällen gegen seine Berufspflichten verstoßen habe, und erkannte auf die Entziehung des passiven Berufswahlrechts sowie auf eine Geldbuße i.H.v. 25.000 €. Es ordnete zudem an, dass die Ärztekammer nach § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW berechtigt sei, das Urteil nach Rechtskraft im Ärzteblatt der zu-ständigen Ärztekammer zu veröffentlichen. Danach kann "in besonderen Fällen ... auf Veröffentlichung der Entscheidung erkannt werden". Das Landesberufsgericht für Heilberufe reduzierte die Geldbuße auf 20.000 € und bestätigte die weiteren Sanktionen.

Die Verfassungsbeschwerde gegen diese beiden Entscheidungen sowie mittelbar gegen § 60 HeilBerG NRW blieb vor dem BVerfG erfolglos.

Die Gründe:
Die der berufsgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Vorschriften des HeilBerG NRW stehen mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang, denn sie sind hinreichend bestimmt. Aus der Tatsache, dass zu dem hier relevanten Tatbestandsmerkmal der "Sitzung" unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, kann nicht gefolgert werden, dass deshalb die der berufsrechtlichen Sanktion zugrunde liegenden Regelungen nicht bestimmt genug seien, um eine berufsgerichtliche Verurteilung zu rechtfertigen. Denn für den Beschwerdeführer ist schon angesichts der Alltagsbedeutung des Begriffs hinreichend erkennbar, dass die von ihm vertretene abweichende Auffassung mit einem Sanktionsrisiko belegt ist.

Die angegriffenen Entscheidungen stehen zudem mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang. § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW genügt insbesondere der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift betrifft Angehörige der Heilberufe, denen ein besonderes, schützenswertes Vertrauen entgegengebracht wird. Das Berufsrecht kann Fehlverhalten, das dieses Vertrauen erschüttert oder zu erschüttern geeignet ist, mit geeigneten Maßnahmen sanktionieren.

Eine Ermächtigung zur Veröffentlichung eines nicht anonymisierten berufsgerichtlichen Urteils findet seine Rechtfertigung in einem berechtigten Interesse an einer Information der Allgemeinheit, insbesondere der Gemeinschaft der Versicherten, wie auch der Kammerangehörigen, die sodann ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung steuern können. Neben dieser im Grundsatz generalpräventiven Wirkung dient die Veröffentlichung auch der weiteren Sanktionierung eines beträchtlichen individuellen Fehlverhaltens, das auch die Gefahr einer höheren Kostenlast für die Gemeinschaft der Versicherten in sich trägt. Die Veröffentlichung ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn es sich um vereinzelte, herausgehobene Fälle handelt. Zudem ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt, sofern die Veröffentlichung nur in einem berufsrechtlichen Medium und einmalig erfolgt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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BVerfG PM Nr. 31 vom 2.4.2014
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