01.04.2011

Sorgerecht: Voraussetzungen für einen Aufenthaltswechsel des Kindes in das benachbarte Ausland

Die alleinige Zuweisung der elterlichen Sorge an den im Ausland lebenden Vater (hier: Frankreich) hat für ein achtjähriges Kind erhebliche Auswirkungen, weil sie mit einem Umzug des Kindes und damit mit einem gravierenden Wechsel seiner bisherigen Lebensumstände einhergeht. Es ist daher unverzichtbar, dass ein nach seinem Entwicklungsstand schon verständiges Kind durch das erkennende Gericht selbst angehört wird.

BGH 16.3.2011, XII ZB 407/10
Der Sachverhalt:
Die nicht miteinander verheirateten Eltern streiten um das alleinige Sorgerecht für ihre im Oktober 2002 geborene Tochter. Die Mutter besitzt die deutsche, der Vater die französische Staatsangehörigkeit. Zur Zeit der Geburt des Kindes lebten die Eltern in Frankreich.

Kurz nach der Geburt trennten sie sich, und die Mutter kehrte mit dem Kind nach Deutschland zurück, wo das Kind seither lebt und zur Schule geht. Beide Elternteile übten die elterliche Sorge zunächst einverständlich gemeinsam aus. In der Folge kam es zum Streit um das Umgangsrecht, das Recht, wer das Kind einschulen darf, und schließlich um das Sorgerecht.

Das AG übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter. Nach Austausch des Verfahrenspflegers und ohne Anhörung des Kindes übertrug das OLG dem Vater das alleinige Sorgerecht und ordnete in seinem - der Mutter am 26.8.2010 zugestellten Beschluss - an, dass sie das Kind bis zum 29.8.2010 an den in Frankreich lebenden Vater herauszugeben habe. Auf die von der Mutter hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hob der BGH - nach Aussetzung der vom OLG angeordneten sofortigen Vollziehung - die Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Spruchkörper des OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat die vermeintlich bessere Erziehungseignung des Vaters, auf die es seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat, nicht nachvollziehbar begründet. Rechtsfehlerhaft ist auch, dass das OLG das Kind nicht angehört hat. Die alleinige Zuweisung der elterlichen Sorge an den Vater hat für das Kind erhebliche Auswirkungen, weil sie mit einem Umzug des Kindes nach Frankreich und damit mit einem gravierenden Wechsel seiner bisherigen Lebensumstände einhergeht. Daher ist es unverzichtbar, dass das nach seinem Entwicklungsstand schon verständige Kind durch das erkennende Gericht selbst angehört wird.

Hinzu kommt, dass alle mit dem Kind in diesem Verfahren befassten Personen, die das Kind selbst angehört haben, also der Amtsrichter, die Verfahrenspfleger und der Sachverständige übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt sind, dass das Kind bei der Mutter bleiben sollte. Auf verfahrensrechtliche Bedenken stieß auch, dass das OLG die Verfahrenspflegerin, die das Kind seit längerer Zeit auch aus dem Beschulungs- und Umgangsrechtsverfahren kannte und in das umfangreiche Verfahren eingearbeitet war, kurz vor Abschluss des Verfahrens durch einen anderen Verfahrenspfleger ersetzt hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 53 vom 1.4.2011
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