11.04.2016

Sozial-familiäre Beziehung: OLG Hamm klärt Fragen zur rechtlichen Vaterschaft

Der leibliche Vater kann die rechtliche Vaterschaft mit Erfolg anfechten, wenn der rechtliche Vater und sein Kind keine soziale Familie bilden, so dass zwischen ihnen keine gesetzlich geschützte sozial-familiäre Beziehung besteht. Eine solche wird nicht schon dadurch begründet, dass der rechtliche Vater formell und finanziell die Verantwortung trägt; vielmehr ist daneben auch in tatsächlicher Hinsicht eine Betreuungs- oder sonstige Verantwortungsübernahme festzustellen.

OLG Hamm 11.2.2016, 12 UF 244/14
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten stammen aus einem westafrikanischen Land. Nach ihrer Einreise nach Deutschland im Jahr 2010 hatte die heute 24 Jahre alte Kindesmutter zunächst eine Beziehung mit dem heute 23 Jahre alten leiblichen Vater, aus der der ein im September 2011 geborener Junge hervorgegangen ist. Noch vor der Geburt hatte der heute 50 Jahre alte rechtliche Vater, der seit den 90er Jahren in Deutschland lebt und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, die Vaterschaft anerkannt. Er gab mit der Mutter eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben und verpflichtete sich in einer Urkunde zur Zahlung von Unterhalt. Weder er noch der leibliche Vater lebten jemals mit der Mutter und/oder dem Kind zusammen. Beide hatten jedoch regelmäßig Kontakt zum Kind. Die Kindesmutter lebt zurzeit mit zwei weiteren, jüngeren Kindern in Münster und unterhält eine Beziehung zum Vater ihrer jüngeren Kinder. Der rechtliche Vater lebt ebenfalls in Münster, der leibliche Vater lebt in Dortmund.

In einem vom leiblichen Vater beantragten Vaterschaftsfeststellungsverfahren hat das AG - Familiengericht - nach eingeholtem Abstammungsgutachten, das die leibliche Vaterschaft bestätigte, festgestellt, dass der Antragsteller und nicht der rechtliche Vater der Kindesvater ist. Die Entscheidung des Familiengerichts wurde vom rechtlichen Vater und der Kindesmutter angefochten. Sie waren der Ansicht, der leibliche Vater sei nicht zur Vaterschaftsanfechtung berechtigt gewesen, weil zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung bestehe. Diese hatte der leibliche Vater in Abrede gestellt und gemeint, die Anerkennung der Vaterschaft durch den rechtlichen Vater sei nur aus aufenthaltsrechtlichen Gründen erfolgt. Das OLG hat die Beschwerden der Kindesmutter und des rechtlichen Vaters zurückgewiesen. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Das AG hatte zu Recht festgestellt, dass nicht der rechtliche Vater sondern der Antragsteller der Vater des Kindes ist. Die Anfechtung der Vaterschaft durch den biologischen Vater war auch nicht nach § 1600 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, da zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung i.S.d. Vorschrift besteht.

Eine vom Gesetz geschützte sozial-familiäre Beziehung besteht nur dann, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt. Davon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn er mit der Mutter verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebt. Beides traf im vorliegenden Fall allerdings nicht zu.

Zwar ist auch außerhalb dieser Regelvermutungen eine Anfechtung durch den biologischen Vater ausgeschlossen, wenn der rechtliche Vater zu dem Kind eine schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung unterhält. Die einschlägige gesetzliche Vorschrift dient nämlich im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Kind bei einer erfolgreichen Anfechtung nicht vaterlos gestellt wird, sondern den biologischen Vater zum rechtlichen Vater erhält. Die vom Gesetz geschützte sozial gehaltvolle Beziehung zwischen rechtlichem Vater und dem Kind kann sich aber nur aus der Wahrnehmung typischer Elternrechte und -pflichten des rechtlichen Vaters ergeben.

Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen im Verhältnis des rechtlichen Vaters zu dem 2011 geborenen Jungen nicht feststellbar. Die formellen Aspekte der Vaterschaftsanerkennung, einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung sowie der monetäre Aspekt der Unterhaltszahlung reichten dafür nicht aus. Denn die vom Gesetz geschützte soziale Familie muss tatsächlich bestehen, was in Bezug auf den rechtlichen Vater im vorliegenden Fall nicht zutraf, da die Kindesmutter in einer neuen festen Beziehung lebt und mit ihrem neuen Partner zwei weitere Kinder hat. Außerdem konnte der rechtliche Vater keine von ihm aktuell erbrachten Betreuungsleistungen für den Jungen benennen. Dass er dem Jungen ein vertrauter Spielpartner ist und von ihm "Papa" genannt wird - so bezeichnet der Junge auch den neuen Partner seiner Mutter - genügt insoweit nicht.

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