11.04.2018

Staatsnahe Tätigkeit kann Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließen

Einem bei einer Universität als Dezernent für "Personal und Organisation" angestellten Volljuristen, der in vielen Bereichen seiner täglichen Arbeit hoheitliches Handeln vorbereitet, kann die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen sein. Die Belange der Rechtspflege sind auch dann gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen kann, der Rechtsanwalt könnte wegen seiner Staatsnähe mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken.

OLG Hamm 16.2.2018, 1 AGH 12/17
Der Sachverhalt:
Die klagende Rentenversicherung wandte sich gegen einen im Januar 2017 erlassenen Bescheid der beklagten Rechtsanwaltskammer, mit dem diese den im Verfahren beigeladenen, bereits seit 1995 als Rechtsanwalt tätigen Volljuristen die - weitere - Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt hat. Diese hatte der Beigeladene zuvor aufgrund eines Arbeitsvertrages mit einer Universität beantragt, bei der er als Dezernent für "Personal und Organisation" angestellt ist.

Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses hat der Beigeladene arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit den Beschäftigten der Universität zu prüfen sowie dem Kanzler und dem Rektor arbeits- und vertragsrechtlichen Rechtsrat in Personalangelegenheiten zu erteilen. Zudem führt er selbstständig Vertragsverhandlungen mit Beschäftigten und verhandelt Dienstvereinbarungen mit Personalvertretungen. Auch die eigenständige Vertretung der Universität in arbeitsgerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsverfahren gehört zu seinem Aufgabenbereich.

Die von der Klägerin gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer beim Anwaltsgerichtshof des Landes NRW erhobene Anfechtungsklage war erfolgreich. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der angefochtene Bescheid ist (materiell) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten gem. §§ 112c BRAO; 113 Abs. 1 VwGO. Die Beklagte hat den Beigeladenen zu Unrecht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen, denn es liegt bereits ein Zulassungsversagungsgrund i.S.v. §§ 46a Abs. 1 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO vor. Aufgrund der von ihm für die Universität ausgeübten Tätigkeit könne der Beigeladene gem. § 7 Nr. 8 BRAO nicht als Rechtsanwalt und dementsprechend auch nicht als Syndikusrechtsanwalt tätig werden. Unerheblich ist, dass der Beigeladene bereits als Rechtsanwalt zugelassen war. Schließlich ging es hier allein um die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.

Gem. § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen der Rechtssuchenden in seine Unabhängigkeit gefährden könnte. Die Vorschrift sichert nämlich die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der seinen Beruf frei und unabhängig ausübt. Sie schützt zudem die Rechtsuchenden, die auf eine unabhängige und objektive Tätigkeit eines Rechtsanwalts vertrauen.

Im vorliegenden Fall ist der Beigeladene Dezernent für "Personal und Organisation" an einer Universität und somit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zwar schließt die Tätigkeit im öffentlichen Dienst die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht generell aus. Allerdings kann eine Dauertätigkeit im öffentlichen Dienst die Abhängigkeit eines Rechtsanwalts von staatlichen Organen begründen und mit dem Grundsatz der freien Advokatur unvereinbar sein. Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege ist das Erscheinungsbild einer von staatlichen Einflüssen freien Advokatur zu schützen. Deshalb ist im Einzelfall zu prüfen, ob die beruflichen Sphäre der Anwaltschaft von der des öffentlichen Dienstes deutlich genug getrennt ist.

Die Unvereinbarkeit einer anwaltlichen Tätigkeit mit Tätigkeiten im öffentlichen Dienst ist aber stets anzunehmen, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass aus Sicht des rechtsuchenden Publikums die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt ist. Die Belange der Rechtspflege sind nämlich auch dann gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen kann, der Rechtsanwalt könnte wegen seiner Staatsnähe mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken.

Im vorliegenden Fall war die Tätigkeit des Beigeladenen für die Universität somit mit einer freien Advokatur nicht zu vereinbaren. So vertritt der Beigeladene die Universität als Behörde gegenüber Stellen der Personalvertretung und gegenüber anderen Ministerien. Das ist die klassische Kommunikation einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Land als einem anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger in staatlichen Belangen. Ähnlich verhält es sich mit den Aufgaben des Beigeladenen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Berufungsverfahren von Hochschullehrern. Hier prüft er den Ablauf eines Berufungsverfahrens und die Einstellungsvoraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses.

In Prozessvertretungen vor dem VG geht es ebenfalls um beamtenrechtliche Fragestellungen. Zwar ist der Beigeladene auch mit arbeitsvertraglichen Fragen befasst. Angesichts des Umstandes, dass er aber in vielen Bereichen alleinverantwortlich unmittelbar hoheitliches Handeln vorbereitet und teilweise als Behördenvertreter auftritt, liegt eine Staatsnähe vor, die mit der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht zu vereinbaren ist.

Linkhinweis:

OLG Hamm Pressemitteilung vom 10.4.2018