24.08.2018

Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer

Die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes herrühren, der sowohl von Todes wegen erworben worden ist als auch tatsächlich der Erbschaftsteuer unterlegen hat; dabei ist der in Anspruch genommene persönliche Freibetrag (§ 16 ErbStG) anteilig abzuziehen.

Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte zu ermitteln.

Beim Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben ermittelt sich der Ermäßigungsprozentsatz des § 35b Satz 2 EStG durch Gegenüberstellung der anteiligen, auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallenden Erbschaftsteuer und des Betrags, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 13.3. 2018 - IX R 23/17

EStG § 17, §  35b

EStG a.F. § 35

ErbStG § 3, § 5, § 10 Abs. 1, § 14, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 17

Im Streitfall gründeten der Steuerpflichtige und sein Vater in 2008 eine GmbH. Im Rahmen der Gründung brachte der Vater des Steuerpflichtigen sein Einzelunternehmen in die GmbH ein. Der Steuerpflichtige war zu 49 % und sein Vater zu 51 % an der GmbH beteiligt. Aufgrund des persönlichen Freibetrags des Steuerpflichtigen fiel für ihn keine Schenkungsteuer an.

Im Juli 2009 starb der Vater. Auf den Steuerpflichtigen wurde infolge eines Vermächtnisses ein weiterer GmbH-Anteil in Höhe von 26 % übertragen. Sein Bruder schlug das auf ihn entfallende Vermächtnis aus, so dass der Steuerpflichtige als Ersatz-Vermächtnisnehmer auch den restlichen Geschäftsanteil von 25 % erhielt.

Im Streitjahr 2011 veräußerte der Steuerpflichtige seine Geschäftsanteile an der GmbH und erzielte einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG in Höhe von 786.167 €. Die Erbschaftsteuer des Steuerpflichtigen wurde auf 28.336 € festgesetzt.

Das FA gewährte eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG in Höhe von 4.412 €. Im FG - Verfahren ermittelte das FG eine Steuerermäßigung in Höhe von 4.616 €. Dagegen reduzierte der BFH im Revisionsverfahren die Steuerermäßigung auf 1.808 €.

Entfällt die festgesetzte Erbschaftsteuer teilweise auf nach § 35b Satz 1 EStG nicht begünstigte Vorerwerbe und teilweise auf einen begünstigten Erwerb von Todes wegen, muss der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG für die Anwendung von § 35b Satz 1 EStG, d.h. bei der Ermittlung der nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte, verhältnismäßig aufgeteilt werden.

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird gemäß § 35b Satz 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in Satz 2 bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG).

Zur Berechnung der Steuerermäßigung müssen zunächst zwei Maßgrößen ermittelt werden, zum einen die anteilig auf die nach § 35b Satz 1 begünstigten Einkünfte entfallende Einkommensteuer und zum anderen der Ermäßigungsprozentsatz gemäß § 35b Satz 2 EStG. Der Betrag nach § 35b Satz 1 EStG multipliziert mit dem Ermäßigungsprozentsatz ergibt den Betrag der Steuerermäßigung.

Begünstigt sind nach § 35b Satz 1 EStG "Einkünfte, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben". Der Wortlaut des Relativsatzes ist ungenau, da der Erbschaftsteuer nicht Einkünfte, sondern Bereicherungen unterliegen. Bei sinngemäßem Verständnis erfasst § 35b EStG danach Fälle, in denen der von Todes wegen hinzuerworbene Vermögensgegenstand - z.B. nach einer steuerpflichtigen Veräußerung - mit seinem Wert zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen ist.

Nicht nach § 35b Satz 1 EStG begünstigt sind dagegen solche Einkünfte, die sich aus (der Veräußerung von) Vermögensgegenständen ergeben, die einer Vorbelastung mit Schenkungsteuer unterlegen haben. Zwar kann es auch insoweit zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen. Der Wortlaut der Vorschrift ist insofern aber eindeutig. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nach Auffassung des BFH nicht.

Begünstigt ist der Veräußerungsgewinn nur insoweit, als er sich aus der Veräußerung der mit Erbschaftsteuer belasteten Anteile ergibt. Die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen bei ihrem Hinzuerwerb tatsächlich mit Erbschaftsteuer belastet worden sein. Sie müssen eine Belastung mit Erbschaftsteuer ausgelöst haben. Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Vorschrift der "Doppelbelastung" bestimmter Vermögenswerte mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer Rechnung tragen. An einer Doppelbelastung fehlt es aber, soweit der hinzuerworbene Vermögensgegenstand z.B. im Anwendungsbereich des persönlichen Freibetrags nach § 16 ErbStG eine Belastung mit Erbschaftsteuer nicht ausgelöst hat. Insoweit besteht kein Grund für eine tarifliche Entlastung.

Hieraus folgt, dass im Anwendungsbereich von § 35b Satz 1 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG in Abzug zu bringen ist. Soweit die nach dem ErbStG steuerbare Bereicherung aufgrund des persönlichen Freibetrags nicht zu einer Belastung mit Erbschaftsteuer geführt hat, kommt die Anwendung von § 35b Satz 1 EStG nicht in Betracht.

Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b Satz 1 EStG begünstigte, als auch nach §  35b Satz 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen, ist der persönliche Freibetrag gemäß § 16 ErbStG im Verhältnis der Einkünfte zueinander aufzuteilen und anteilig bei den jeweiligen Einkünften abzuziehen. Die Ansicht, wonach der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG vorrangig bis zur Höhe des Vorerwerbs von diesem abzuziehen ist, findet in § 35b Satz 1 EStG keine hinreichende Grundlage. Vielmehr entspricht es dem Auftrag des Gesetzes, in solchen Mischfällen danach zu fragen, welcher Teil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage auf den Erwerb von Todes wegen entfällt. Dies gebietet eine anteilige Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags nach § 16 ErbStG.

Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) zu ermitteln. Der Aufteilungsmaßstab lässt sich zwar der Bestimmung nicht ausdrücklich entnehmen, allerdings entspricht die Formulierung insoweit dem Wortlaut des § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. Der dort vorgesehene Aufteilungsmaßstab, wonach der maßgebliche Teil der Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln ist, dass die Einkommensteuer im Verhältnis der betreffenden Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird, lässt sich insoweit auf § 35b EStG übertragen. Um die Einkommensteuer auf die begünstigten Einkünfte zu berechnen, ist daher der Betrag der um sonstige Steuerermäßigungen gekürzten tariflichen Einkommensteuer mit dem Quotienten aus dem Betrag der begünstigen Einkünfte und dem Betrag der Summe der Einkünfte zu multiplizieren.

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist bei der Anwendung von § 35b Satz 2 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG (u.a.) dem steuerpflichtigen Erwerb im Grundsatz in voller Höhe hinzuzurechnen. Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b Satz 1 EStG begünstigte, als auch nach § 35b Satz 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen und ist der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG deshalb bei der Ermittlung der nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte verhältnismäßig aufgeteilt worden, ist nur der anteilige Freibetrag nach §16 ErbStG hinzuzurechnen. Der Ermäßigungsprozentsatz ermittelt sich dann durch Gegenüberstellung der anteilig auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallende Erbschaftsteuer und dem Betrag, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird.

BFH, Urteil vom 13.3.2018, IX R 23/17, veröffentlicht am 20.8.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt