Steuerliche Behandlung der Leistungen einer Direktversicherung in Form einer Aufbauversicherung, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurde
KurzbesprechungEStG 2004 § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd, § 20 Abs. 1 Nr. 6
EStG § 22 Nr. 5 Satz 2, § 52 Abs. 28 Satz 5
Der Steuerpflichtige war bis zum Streitjahr 2011 als sog. Generalagent (GA) für eine Versicherung AG (V) tätig. Eine zum Konzern der V gehörende Gesellschaft zahlte dem Steuerpflichtigen am 1.7. 2011 drei Kapitallebensversicherungen aus. Diesen auf das Leben des Steuerpflichtigen abgeschlossenen Verträgen lagen die "Richtlinien für die Versorgung der hauptberuflichen Ausschließlichkeitsvertreter" (GA‑Versorgung) zugrunde.
Die GA-Versorgung der V besteht aus drei Stufen. Der Steuerpflichtige vereinbarte die GA-Versorgung der Stufe 2 mit V am 1.7. 1982. Daneben schloss er am 1.7. 1987 mit V die Vereinbarung über eine (weitere) Aufbauversicherung im Rahmen der Stufe 3 der GA - Versorgung ab.
In Höhe des Kapitalwertes der von V finanzierten Versicherungsleistungen sieht Punkt VI. der GA - Versorgung vor, dass aus Gründen der Billigkeit kein Ausgleichsanspruch des GA nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB entsteht. Den Unterschiedsbeitrag dieses Kapitalwertes zum Ausgleichsanspruch des GA hatte V jedoch auszugleichen.
Bei Vertragsende am 1.7. 2011 überwies die Versicherungsgesellschaft dem Steuerpflichtigen aufgrund des Aufbauversicherungsvertrags der Stufe 2 einen Betrag, den sie teilweise als einkommensteuerpflichtig behandelte. In Bezug auf die Aufbauversicherung der Stufe 3 sah die Versicherungsgesellschaft ebenfalls einen Teilbetrag des Gesamtbetrags als steuerpflichtig an. Diese Beträge teilte sie der Deutschen Rentenversicherung Bund (Zentrale Stelle für Altersvorsorge) als Leistungen nach § 22 Nr. 5 Satz2 EStG) mit. Sie begründete ihre Ansicht damit, dass weder die Erhöhungen der Beiträge noch der Versicherungssummen bei Vertragsschluss vereinbart gewesen seien und somit aus ihrer Sicht nicht als laufende Beitragszahlungen angesehen werden könnten. Deshalb seien die ausgezahlten Lebensversicherungssummen teilweise steuerpflichtig.
Im Einspruchs - und Klageverfahren machte der Steuerpflichtige erfolglos geltend, die Leistungen der Direktversicherungen seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit.
Z diesem Ergebnis kam auch der BFH im Revisionsverfahren. Er stellte zunächst heraus, dass die Zahlungen aus den beiden Aufbauversicherungen Leistungen aus Direktversicherungen und damit nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbar sind. Die Auszahlungsbeträge aus den Direktversicherungsverträgen bleiben, da sie auf laufenden Beiträgen für eine Kapitallebensversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 beruhen, nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (heute § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG) steuerfrei.
Denn Kapitallebensversicherungen, die nicht nur einmalige Beitragsleistungen verlangen und deren Vertragsdauer wenigstens zwölf Jahre beträgt, sollen dem Versorgungszweck dienen und sind daher steuerlich zu fördern. Auf einen bestimmten Beitragszahlungszeitraum stellt das Gesetz dabei nicht ab.
Die Zahlungen müssen weder in regelmäßigen Zeitabständen getätigt werden noch betragsmäßig gleichmäßig sein. Allerdings dürfen die Zahlungen wirtschaftlich betrachtet nicht Beitragsleistungen gegen Einmalzahlungen gleichkommen.
Im Streitfall ist zwar der Wortlaut der Vereinbarung zur GA‑Versorgung hinsichtlich der Art der Zahlungen nicht eindeutig. Entscheidendes Gewicht kommt deshalb der tatsächlichen Art und Weise der Beitragsberechnung und ‑zahlung zu. Tatsächlich sind die Versicherungsbeiträge im Streitfall mehrfach und auch laufend geleistet worden. Im Zeitraum von 29 Jahren sind in die Aufbauversicherung der Stufe 2 insgesamt 22 Beiträge und im Zeitraum von 24 Jahren in die Aufbauversicherung der Stufe 3 insgesamt 17 Beiträge eingezahlt worden. Lediglich in sieben Jahren sind in beiden Versicherungen keine Beiträge entrichtet worden. Solche laufenden Beitragszahlungen sind einer Kapitallebensversicherung gegen Einmalbeitrag fremd. Denn bei der Vereinbarung einer Einmalprämie wird die Prämie für die gesamte Laufzeit der Lebensversicherung in einer Summe entrichtet.
Im Streitfall sprachen auch die sonstigen Beitragsmodalitäten dafür, dass die Vertragsparteien hier nicht eine Vielzahl von Einmalzahlungen, sondern laufende Beiträge, in der Höhe variabel, vereinbart hatten. Dabei stand von Anfang an die Berechnungsweise der Beiträge fest. Es war nicht erkennbar, dass jede Neuberechnung zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags (Novation) führen sollte. Vielmehr erhielt der Steuerpflichtige - wie auch ein Arbeitnehmer, für den einkommensabhängige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden - die Möglichkeit, seine Altersversorgung entsprechend seinem wirtschaftlichen Erfolg aufzubauen. Auch die erforderliche Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren wurde eingehalten.
In Höhe dieser (steuerfreien) Ansprüche des Steuerpflichtigen aus den beiden Aufbauversicherungen der Stufen 2 und 3 lagen auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG vor, obwohl der Steuerpflichtige und die V in beiden Versicherungsverträgen eine Anrechnung in Höhe der Kapitalwerte der von V finanzierten Versicherungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB vereinbart hatten (siehe hierzu im Einzelnen BFH v. 8.12. 2016 - III R 41/14 (BStBl II 2017, 630).
BFH, Urteil vom 6.9.2018, X R 21/16, veröffentlicht am 6.2.2019.