Steuerschuld des Veräußerers bei einheitlichem Erwerbsvorgang
KurzbesprechungGrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Nr. 1
AO § 5, § 44 Abs. 1, § 121, § 219 Satz 1
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen ge-währt, um das Grundstück zu erwerben.
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags abzustellen.
Nach § 13 Nr. 1 GrEStG sind Steuerschuldner regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Sie sind Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder der Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO die gesamte Leistung. Die Annahme, Veräußerer und Erwerber könnten materiell-rechtlich Grunderwerbsteuer in unterschiedlicher Höhe schulden, ist mit dieser Vorschrift nicht vereinbar. Sie lässt eine derartige Unterscheidung nicht zu.
Der BFH hat nun entschieden, dass dies auch in den Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs gilt, bei denen nicht der Veräußerer, sondern ein Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist. Sachlich ist dies deshalb gerechtfertigt, weil das beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags tatsächlich unbebaute Grundstück nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein kann, wenn der Dritte beim Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags zur Veräußererseite gehört. Dies setzt ein entsprechendes Verhalten des Veräußerers voraus. Zumindest muss er selbst oder eine für ihn handelnde Person das Grundstück dem Dritten "an die Hand" gegeben haben. Aufgrund dieses Verhaltens ist die durch die Bebauung herbeigeführte tatsächliche Veränderung des Grundstücks seiner Sphäre zuzurechnen. Der Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der gegenüber dem Veräußerer festgesetzten Grunderwerbsteuer steht es deshalb nicht entgegen, wenn für diesen die Einheitlichkeit des aus Grundstücks- und Bauvertrag bestehenden Vertragswerks - etwa aufgrund des Tätigwerdens des von ihm beauftragten Maklers - objektiv nicht erkennbar war.
Eine Aufteilung der Grunderwerbsteuer auf der Veräußererseite auf den bisherigen Eigentümer und den Dritten, der zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet ist, scheidet aus. Denn ein solcher Dritter ist nicht am Erwerbsvorgang als Vertragsteil beteiligt i.S. des § 13 Nr. 1 GrEStG, und zwar auch dann nicht, wenn aufgrund objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Abschluss des Gebäudeerrichtungsvertrags als Gegenstand des Erwerbs das bebaute Grundstück anzusehen ist.
BFH, Urteil vom 30.8.2017, II R 48/15, veröffentlicht am 08.11.2017.