Streit um Wohnfläche: Gericht kann von Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen absehen
BGH v. 27.2.2019 - VIII ZR 255/17Die Beklagte ist seit 2010 Mieterin einer im Dachgeschoss gelegenen Dreizimmerwohnung der Klägerin in Mainz. Im August 2014 hatte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der seit Mietbeginn unveränderten monatlichen Nettokaltmiete von 738 € auf 798,62 €, ab November 2014 verlangt, was die Beklagte verweigerte. Im Mietvertrag ist eine bestimmte Wohnfläche nicht vereinbart.
Im Mieterhöhungsverlangen hieß es u.a.:
"Die Mietsache [...] ist im Jahre 1998 fertiggestellt worden und hat eine Wohnfläche von 92,54 qm. Die von Ihnen angemietete Maisonette-Wohnung ist in das Mietspiegelfeld "gut" einzuordnen, wonach bis zu 9,36 € pro Quadratmeter ortsüblich sind. Die aktuelle Nettokaltmiete beträgt 7,97 € pro Quadratmeter monatlich, insgesamt 738,00 €. Diese Miete wird um 0,66 € pro Quadratmeter Wohnfläche erhöht, so dass die neue Nettokaltmiete sich auf 8,63 € pro Quadratmeter, das bedeutet auf 798,62 € monatlich beläuft. [...]"
Das AG hat die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat (Urt. v. 31.5.2017, VIII ZR 181/16) die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Beklagte eine Berechnung vorgelegt, nach der die Wohnfläche nur 80,674 qm beträgt. Der Klägervertreter hat dem Berufungsgericht auf Nachfrage mitgeteilt, einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht stellen zu wollen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin daraufhin erneut zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klägerin für die tatsächliche Wohnungsgröße als beweisfällig angesehen und folgerichtig einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung gem. § 558 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei verneint.
Nachdem die Beklagte die von der Klägerin vorgetragene Wohnungsgröße von 92,54 qm unter Vorlage des Messergebnisses der einzelnen Räume und einer sich hieraus nach ihrer Berechnung ergebenden Wohnfläche von 80,674 qm substantiiert bestritten hatte, oblag es der Klägerin, Beweis für die Richtigkeit der von ihr behaupteten Größe der Wohnung anzutreten. Dies hat sie versäumt bzw. - auf Nachfrage des Berufungsgerichts, ob sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Größe der Wohnfläche beantragen wolle - die Stellung eines solchen Beweisantrags ausdrücklich abgelehnt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, den Vortrag der Beklagten zum Anlass zu nehmen, nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der tatsächlichen Wohnungsgröße einzuholen. Es steht nämlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Sachverständigengutachten ohne Antrag des Beweispflichtigen von Amts wegen einholt; dies befreit die Partei jedoch nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast. Infolgedessen ist es regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Tatrichter, nachdem er zuvor auf die Erforderlichkeit eines entsprechenden Beweisantrags hingewiesen hat, wegen des offen ausgesprochenen entgegenstehenden Willens der beweisbelasteten Partei von der Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen absieht.
Schließlich musste das Berufungsgericht die Klägerseite auch nicht gem. § 139 ZPO zusätzlich darauf hinweisen, dass das "Entscheidungsprogramm" des wiedereröffneten Berufungsverfahrens durch das vorangegangene Revisionsurteil des Senats in keiner Weise vorgezeichnet sei und es keine Bindung des Berufungsgerichts dahin gebe, dass es jetzt nur noch die Feststellungen zu den sonstigen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens zu treffen habe. Dass das Berufungsgericht auch nach der Zurückverweisung eines Rechtsstreits neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen darf, entspricht nämlich gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Eine fehlerhafte Berücksichtigung von neuem Tatsachenvortrag durch das Berufungsgericht unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung.
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