04.08.2017

Streitigkeiten aus Mietverträgen zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkind anlässlich dessen Trennung vom Kind können sonstige Familiensachen sein

Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal "im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung" weit auszulegen. Streitigkeiten aus Mietverträgen über Wohnraum zwischen Schwiegereltern und ihrem Schwiegerkind anlässlich der Trennung ihres Kindes von dem Schwiegerkind können als sonstige Familiensachen i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren sein.

BGH 12.7.2017, XII ZB 40/17
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um rückständige Mieten und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob die allgemeinen Zivilgerichte oder die Familiengerichte zuständig sind.

Die Kläger vermieteten ihrem Schwiegersohn, dem Beklagten, und ihrer Tochter die streitgegenständliche Wohnung. Die Kläger verlangen vom Beklagten Miete für den Zeitraum März 2012 bis einschließlich Januar 2013 sowie Januar 2015 bis einschließlich Januar 2016 und Betriebskostennachforderungen für den Abrechnungszeitraum 2013 i.H.v. insgesamt rd. 35.000 €.

Der Beklagte und seine Ehefrau trennten sich im Mai 2011, der Beklagte zog aus der Ehewohnung aus. Nach dem Vorbringen des Beklagten ist der Mietvertrag anlässlich der Trennung der Ehegatten aufgehoben worden. Ferner seien die Mietzahlungen seiner Ehefrau und die Mietrückstände in Form eines von den Klägern an sie gewährten Darlehens im Verfahren über den Trennungsunterhalt bedarfserhöhend berücksichtigt worden.

Das AG erklärte auf die Rüge des Beklagten, die funktionelle Zuständigkeit des AG - Zivilabteilung - sei nicht gegeben, vielmehr sei das Familiengericht gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zuständig, den Zivilrechtsweg für zulässig. Das LG wies die sofortige Beschwerde des Beklagten zurück. Auf seine Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss des LG auf und änderte den Beschluss des AG dahingehend ab, dass der Rechtsweg zu den allgemeinen Zivilgerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das AG - Familiengericht - verwiesen wird.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG ist die hier zu beurteilende Streitigkeit als sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren.

Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert. Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG muss ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen. Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten betrifft. Im Hinblick auf die gewünschte möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte ist der Begriff des Zusammenhangs mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft großzügig zu beurteilen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass zwischen den (geschiedenen) Ehegatten bestehende Mietstreitigkeiten sonstige Familiensachen sein können, weil sie nicht unter eine der in § 266 Abs. 1 FamFG genannten Spezialzuständigkeiten fallen. Deshalb scheidet eine pauschale Zuordnung dieser Rechtsverhältnisse zu den allgemeinen Zivilgerichten aus. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG werden hiervon auch Mietstreitigkeiten der vorliegenden Art erfasst, in denen sich Schwiegereltern mit ihrem Schwiegerkind im Rahmen eines zwischen ihnen geschlossenen Mietverhältnisses streiten, vorausgesetzt freilich, dass es um Ansprüche im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe geht.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 23 Nr. 2a GVG für Wohnraummietsachen eine ausschließliche Zuständigkeit der allgemeinen Zivilabteilung des AG begründet, die über besondere Rechtskenntnisse auf dem Gebiet des Wohnraummietrechts verfügt. Insoweit konkurrieren in Fällen der vorliegenden Art beide Zuständigkeiten miteinander, so dass es maßgeblich darauf ankommt, ob ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG besteht. Hierzu verweist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf, dass sich Streitigkeiten über die Verhältnisse an der Ehewohnung und die Frage, wer die Wohnkosten zu tragen hat, sowie ob und wie diese dann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind, als naheliegende und häufig vorkommende Folgen oder Begleiterscheinungen bei einer Trennung der Ehegatten darstellen. Entsprechendes gilt regelmäßig, wenn die Schwiegereltern Vermieter sind. Diese haben im Zweifel - bezogen auf den Streit der Eheleute - keine neutrale Stellung inne, sondern stehen im "Lager" ihres Kindes.

Für eine Konzentration der Zuständigkeit beim Familiengericht spricht zudem die Möglichkeit, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung in einem solchen Falle abschließend, auch im Außenverhältnis zu den Schwiegereltern, zu regeln und in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Regelung über die Wohnkosten herbeizuführen, die im Rahmen des Trennungsunterhaltsverfahrens für die Bemessung des Unterhalts maßgeblich sind. Das Familienrecht kennt in Ehewohnungszuweisungsangelegenheiten ohnehin bereits ein Hinübergreifen in das Wohnungsmietrecht. So bewirkt die Wohnungsüberlassung gem. § 1568 a Abs. 3 BGB etwa eine Änderung des zugrundeliegenden Mietverhältnisses. Damit geht einher, dass beim Streit der Ehegatten in Ehewohnungssachen auch die Vermieter gem. § 204 Abs. 1 FamFG zu beteiligen sind. Gemessen hieran ist die Zuständigkeit des Familiengerichts gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gegeben. Aus der Gesamtbetrachtung der hier vorliegenden Umstände folgt, dass der familienrechtliche Bezug jedenfalls nicht völlig untergeordnet ist, also eine Entscheidung durch das Familiengericht nicht sachfremd erscheint.

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