10.01.2020

Tabelleneintrag im Insolvenzverfahren gemäß § 178 Abs. 3 InsO auch im Haftungsverfahren bindend

Ein Tabelleneintrag im Insolvenzverfahren kann gemäß § 178 Abs. 3 InsO auch im Haftungsverfahren Bindungswirkung entfalten. Die Eintragung in die Tabelle ersetzt im Insolvenzverfahren den Steuerbescheid und wirkt u.a. gegenüber allen Insolvenzgläubigern gemäß § 178 Abs. 3 InsO für die festge­stellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.09.2019 - VII R 5/18

AO § 69, § 166, § 191
InsO §§ 176 ff., § 178 Abs. 3
GmbHG § 35


Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldver­hältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Nichtzahlung festgesetzter, fälliger Steuern und Abgaben führt zu einem Steuerschaden in dieser Höhe, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Höhe nach zutreffend ist, und indiziert das Verschulden der Geschäftsführung i.S. des § 69 Satz 1 AO. Im Streitfall waren diese Voraussetzungen erfüllt.

Der Haftungsschuldner kann sich auch nicht mit der Begründung exkulpieren, der andere Geschäftsführer sei für die Entrichtung der Steuern verantwortlich gewesen. Bei einer Verteilung der Geschäfte einer GmbH auf mehrere Geschäftsführer, die grundsätzlich möglich ist (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), kann zwar die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten begrenzt werden. Dies erfordert jedoch eine vorweg getroffene, eindeutige schriftliche Festlegung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfall jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit des anderen verweist. Im Streitfall lag eine derartige eindeutige, in der gebotenen Schriftform getroffene Geschäftsverteilung nicht vor.

Da der Haftungsschuldner und FA gemäß § 178 Abs. 3 InsO an die Eintragungen in die Tabelle gebunden sind, kommen weitere Ermittlungen zur Höhe des Steuerausfalls und damit zur Höhe der Haftungssumme nicht in Betracht. Denn die Eintragung in die Tabelle ersetzt den Steuerbescheid und wirkt u.a. gegenüber allen Insolvenzgläubigern gemäß § 178 Abs. 3 InsO für die festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil.

Alle Personen bzw. Behörden, denen gegenüber Bindungswirkung besteht, müssen die Festsetzung gegen sich gelten lassen. Soweit keine Änderungsnorm eingreift, können sie eine erneute Entscheidung in derselben Sache nicht verlangen, da über denselben Gegenstand nur einmal entschieden werden kann.

Der BFH hat ausdrücklich herausgestellt, dass diese Wirkung des Tabelleneintrags nicht auf das Insolvenzverfahren oder den Insolvenzschuldner beschränkt ist. Für eine derartige Einschränkung findet sich weder in § 178 Abs. 3 InsO noch sonst ein Anhaltspunkt. Vielmehr regelt § 178 Abs. 3 InsO ausdrücklich, dass der Tabelleneintrag allen Insolvenzgläubigern ge­genüber für die festgestellte Forderung nach Betrag und Rang wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt. Das gilt unabhängig davon, ob sie an dem Prüfungstermin gemäß § 176 Satz 1 InsO teilgenommen haben oder nicht und unabhängig davon, ob die Forderung mangels Widerspruchs gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als festgestellt gilt oder ob die Wirkung des Widerspruchs zunächst gemäß §§ 179, 180 Abs. 1, 183 Abs. 2 InsO beseitigt werden muss.

Besonderheiten des Einzelfalls, die eine Bindungswirkung gemäß § 178 Abs. 3 InsO dennoch - insbesondere im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG - als grob unbillig erscheinen lassen, können und müssen gegebenenfalls im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden.

Im Streitfall hatte das FG auch zutreffend entschieden, dass die Ermessensentscheidung des FA, den Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden ist.
 
Verlag Dr. Otto Schmidt