25.01.2018

Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte

Die Zahlung eines zu verrechnenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung ist eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität und für die Zusammenballung der außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG unschädlich. Bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren fehlt jedoch der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang.

Kurzbesprechung
BFH v. 11.10. 2017 - IX R 11/17

EStG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 11 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2

Streitig war die tarifermäßigte Besteuerung von unfallbedingten Zahlungen einer Versicherung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst.a EStG für das Streitjahr 2012. Der Steuerpflichtige ist schwerbehindert (Grad der Behinderung von 80) und bezieht im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde im Jahr 1993 als Fahrradfahrer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Seine Behinderung ist die Folge der erlittenen Verletzungen.

Im Jahr 2006 wurden durch die Versicherung des Schädigers Zahlungen in Höhe von 15.000 € und 10.000 € an den Steuerpflichtigen geleistet. Der wegen Schadenersatz geführte Rechtsstreit des Steuerpflichtigen mit der Versicherung des Schädigers dauerte bis zum Jahr 2012. Am 9.7. 2012 schlossen der Steuerpflichtige und die Versicherung einen Vergleich, wonach die Versicherung an den Steuerpflichtigen ab dem 1.9. 2008 regelmäßige monatliche Zahlungen auf den Erwerbs- und Fortkommensschaden auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 13 zu leisten habe. Die Parteien waren sich einig, dass die Versicherung berechtigt sein sollte, im Wege der Verrechnung eine Überzahlung für den Zeitraum bis zum 31.8.2008 in Höhe von 5.500 € sowie eine am 1.2. 2012 geleistete weitere Zahlung in Höhe von 10.000 € von den auszuzahlenden Beträgen in Abzug zu bringen.

Streitig war nun, ob die dem Steuerpflichtigen in 2012 insgesamt zugeflossenen Versicherungsleistungen nach § 34 EStG ermäßigt besteuert werden konnten. Der BFH hat dies ausdrücklich bejaht und entschieden, dass die auf der neuen Rechtsgrundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 9.7.2012 vereinnahmten Entschädigungszahlungen für den Verdienstausfall des Steuerpflichtigen und damit als Ersatz für entgangene Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG geleistet wurden. Dies gilt auch für den bereits am 1.2. 2012 zur Existenzsicherung des Steuerpflichtigen gezahlten Vorschuss in Höhe von 10.000 €, da der Vergleich ausdrücklich dessen Anrechnung entsprechend seiner Zweckbestimmung auf die für den Verdienstausfall auszuzahlende Entschädigungsleistung vorsieht und damit den Vorschuss bei der Berechnung des Auszahlungsbetrags berücksichtigt. Dabei ist unerheblich, dass die Zuwendung von einem Dritten, hier der Versicherung des Unfallverursachers, geleistet wurde.

Die Entschädigungszahlungen sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs.1 und 2 EStG, denn sie flossen im Veranlagungszeitraum 2012 zusammengeballt zu. Die Zahlung eines die außergewöhnliche Progressionsbelastung erhöhenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung stellt dabei lediglich eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität dar und ist daher für die Einbeziehung des Vorschusses in die außerordentlichen Ein¬künfte und die Zusammenballung unschädlich.

Im Streitfall lag darüber hinaus hinsichtlich der Entschädigungszahlungen im Jahr 2006 einerseits und den Entschädigungszahlungen im Streitjahr andererseits keine einheitliche Gesamtentschädigung vor, deren ratenweise Auszahlung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen einer tarifbegünstigten Besteuerung entgegenstünde. Denn die im Jahr 2006 geleisteten Zahlungen standen nicht mit der auf der Grundlage des Vergleichs vom 9.7. 2012 geleisteten Entschädigung im Zusammenhang. Es handelte sich vielmehr um zwei selbständig zu beurteilende Entschädigungen, die dem Steuerpflichtigen jeweils in einem Veranlagungszeitraum, 2006 und 2012, zusammengeballt zugeflossen sind. Im Übrigen fehlte bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren auch der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang.

BFH, Urteil vom 11.10.2017, IX R 11/17, veröffentlicht am 24.1.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt