24.04.2019

Teilwertabschreibung auf Anteile an offenen Immobilienfonds, deren Ausgabe und Rücknahme endgültig eingestellt ist

Der Teilwert von Anteilen an offenen Immobilienfonds, deren Ausgabe und Rücknahme endgültig eingestellt ist, ist der Börsenkurs der Anteile im Handel im Freiverkehr. Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung von Anteilen an offenen Immobilienfonds, deren Ausgabe und Rücknahme endgültig eingestellt ist, liegt vor, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet.

Kurzbesprechung
BFH v. 13.2.2019 - XI R 41/17

KStG § 8 Abs. 1

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2, Nr. 1 Satz 3

InvStG a.F. § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 2, § 8 Abs. 3

FGO § 90 Abs. 2

 

Streitig war der Bilanzansatz von Anteilen an in Liquidation befindlichen offenen Immobilienfonds, bei denen am 31.12.2012 die Anteilsrücknahme endgültig ausgesetzt war. Die Steuerpflichtig, eine GmbH, machte die Teilwertabschreibung ihrer Anteile an den vorgenannten offenen Immobilienfonds auf den über die Börse ermittelten Zweitmarktwert sowohl im Einspruchs - als auch im Klageverfahren erfolglos geltend. Der BFH hob im Revisionsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung zurück.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter - u.a. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens - grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann an Stelle jener Werte der Teilwert angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Das Gesetz sieht insoweit für die Bewertung von Umlaufvermögen keine abweichenden Regelungen vor.

Teilwert der von der Steuerpflichtigen gehaltenen Anteile ist der Börsenkurs der Anteile. Zutreffend war das FG im Rahmen seiner Schätzung zunächst davon ausgegangen, dass der Teilwert von im Umlaufvermögen gehaltenen Anteilen an offenen Immobilienfonds grundsätzlich der Rücknahmepreis ist. Da bei der Teilwertermittlung die Sicht eines gedachten Erwerbers des Betriebs einzunehmen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG), ist bei der Ermittlung des Teilwerts von Anteilen an Investmentfonds im Anlagevermögen auf den Ausgabepreis, d.h. auf den Preis, zu dem die Anteilsscheine erworben werden können, abzustellen, denn der Wiederbeschaffungspreis entspricht im allgemeinen dem Börsen- oder Marktpreis am Bilanzstichtag.

Dagegen wird der Teilwert von Investmentanteilen, die für den Betrieb entbehrlich sind, durch den Rücknahmepreis der Anteile bestimmt. Dies ist Ausprägung des Grundsatzes, dass der Teilwert von zum Absatz bestimmten Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nicht nur von ihren Wiederbeschaffungskosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös abhängt. Allerdings liegt dieser Wertfindung die Annahme zugrunde, dass Fondsanteile zum Ausgabepreis (als Wiederbeschaffungskosten) von der Fondsgesellschaft erworben bzw. zum Rücknahmepreis (als Einzelveräußerungspreis) an die Fondsgesellschaft zurückgegeben (veräußert) werden können.

Ist hingegen - wie im Streitfall - die Ausgabe von Anteilen durch die Fondsgesellschaft endgültig ausgesetzt, ist für jedermann ein Erwerb von der und eine Rückgabe an die Fondsgesellschaft ausgeschlossen. In einer solchen Situation können weder die Wiederbeschaffungskosten mit dem Ausgabepreis, der nicht existiert, noch der Veräußerungserlös, den der Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, mit dem Rücknahmepreis, der existiert, gleichgesetzt werden; denn der Weg des Erwerbs (zum Ausgabepreis) bzw. der Veräußerung (zum Rücknahmepreis) ist verschlossen, und zwar nicht nur vorübergehend, sondern endgültig.

Ein gedachter Erwerber des Betriebs muss daher für gedachte Erwerbe bzw. Veräußerungen andere Möglichkeiten nutzen. Entsprechend müssen die Wiederbeschaffungskosten bzw. Einzelveräußerungspreise anhand der objektiv zur Verfügung stehenden Erwerbs- bzw. Veräußerungsmöglichkeiten bestimmt werden. Im Streitfall sind dies der Erwerb und die Veräußerung an der Börse (Zweitmarkt). Der Veräußerungserlös, den der gedachte Erwerber hätte erzielen können, wenn er das Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, ist daher der Börsenkurs an einer Börse, an der die Fondsanteile gehandelt werden.

Im Streitfall lag auch eine voraussichtlich dauernde Wertminderung der Anteile vor; weshalb die klageabweisende Entscheidung des FG keinen Bestand haben konnte. Bei Umlaufvermögen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass zusätzliche wertaufhellende Erkenntnisse grundsätzlich in die Beurteilung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei börsennotierten Aktien von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet.

Maßgebend dafür ist neben der Notwendigkeit der Typisierung im Massenverfahren, dass der aktuelle Börsenkurs die informationsgestützte Einschätzung einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die künftigen Risiken und Erfolgsaussichten des jeweiligen Unternehmens widerspiegelt und zugleich deren Erwartung ausdrückt, dass der jetzt gefundene Kurs voraussichtlich dauerhaften Charakter besitzt. Der aktuelle Börsenwert weist - im Vergleich zum Kurswert bei Erwerb der Anteile - eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, die künftige Kursentwicklung zu prognostizieren; deshalb kommt es nicht in Betracht, bei der Prognose über die zukünftige Wertentwicklung einer Aktie deren Börsennotierung durch einen vermeintlich besseren oder jedenfalls nicht hin­länglich verifizierbaren Schätzwert zu ersetzen.

Dies gilt auch für Investmentanteile, wenn das Vermögen des Investmentfonds überwiegend in an Börsen gehandelten Aktien angelegt ist. Auch im Rahmen der auf die Kursnotierungen von Aktien gestützten Bewertung von Investmentanteilen ist anzunehmen, dass - vorbehaltlich einer Bagatellgrenze von 5 % der Erwerbskosten - jeder Rückgang des Ausgabepreises zugleich auch die Dauerhaftigkeit dieser Wertminderung abbildet. Was für Wertveränderungen aufgrund des Börsenkurses gilt, gilt auch für Wertveränderungen aufgrund des Währungswechselkurses. Ob eine "dauernde Wertminderung" für Investmentanteile im Umlaufvermögen, die regelmäßig für Veräußerungszwecke gehalten werden, gegeben sein kann, hat der BFH jedoch bislang ausdrücklich offen gelassen.

Bei festverzinslichen Wertpapieren hat der BFH hingegen angenommen, dass sich ein Absinken des Kurswerts unter den Nominalwert jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft erweist. Maßgebend dafür ist, dass festverzinsliche Wertpapiere regelmäßig eine Forderung in Höhe ihres Nominalwerts verbriefen. Der Inhaber eines solchen Papiers hat mithin das gesicherte Recht, am Ende der Laufzeit diesen Nominalwert zu erhalten. Diese Sicherheit hat er an jedem Bilanzstichtag, und zwar unabhängig davon, ob zwischenzeitlich infolge bestimmter Marktgegebenheiten der Kurswert des Papiers unter dessen Nominalwert liegt. Bei nicht notierten Anteilen ist erforderlich, dass der innere Wert der Beteiligung im Nachhinein gesunken ist. Auch Wechselkursschwankungen berechtigen grundsätzlich nicht zur Teilwertabschreibung.

Im Streitfall konnte ein Anteilseigner aufgrund der endgültigen Aussetzung der Anteilsrücknahme nicht erwarten, dass der Fonds wieder geöffnet wird und er seine Anteile zum Rücknahmepreis zurückgeben kann. Ebenso wenig konnte er erwarten, dass eine Verwertung des Sondervermögens zu den ermittelten Verkehrswerten erfolgen kann. Der Börsenwert spiegelt die Auffassungen der Marktteilnehmer über den Wert wider. Die Preise beinhalten die Einschätzung der künftigen Risiken und Erfolgsaussichten und geben daher zu einem gegebenen Stichtag die Erwartungen einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die zukünftige Entwicklung des Kurses sowie die Einschätzung wieder, dass der jetzt gefundene Kurs "voraussichtlich" dauerhaften Charakter besitzt. Spiegelt aber der aktuelle Börsenkurs die Einschätzung der Marktteilnehmer über die künftige Entwicklung des Börsenkurses wider, kann nicht vom Steuerpflichtigen erwartet werden, dass er über bessere prognostische Fähigkeiten verfügt als der Markt. Er darf sich daher grundsätzlich auf die Einschätzung des Marktes berufen und diese zugrunde legen.

Im Streitfall liegt die Sondersituation vor, dass sowohl die nach § 79 Abs. 1 InvG mit der Bewertung des Investmentvermögens befassten Personen (Sachverständige bzw. Abschlussprüfer, s. dazu auch § 77 InvG) als auch die Marktteilnehmer einschätzen mussten, welchen Einfluss die Liquidation der Investmentfonds auf den Wert des von ihnen gehaltenen Vermögens hat. Das Vermögen war für die Marktteilnehmer aus der Vermögensübersicht des § 79 Abs. 1 Satz 1 InvG ersichtlich. Auch in einem solchen Fall entspricht die typisierende - und zudem durch das Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG legitimierte - Annahme, dass sich im Regelfall der Kurs unter den Bedingungen eines informationseffizienten Kapitalmarkts gebildet habe, dem Erfordernis eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs.

Der BFH berücksichtigt im Rahmen seiner Beurteilung auch, dass bei einem Anstieg des Teilwerts das Wertaufholungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG) eingreift: Soweit die Börsenkurse in Folgejahren gestiegen sein sollten, ist die Teilwertabschreibung wieder aufzuholen.

Da das FG nicht geprüft hatte, ob die Steuerpflichtige die Höhe der Teilwertabschreibungen zutreffend ermittelt hatte, war der Streitfall zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Außerdem kann aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilt werden, ob sich aufgrund von § 8 InvStG a.F. Auswirkungen auf die Höhe der Teilwertabschreibungen ergeben.

BFH, Urteil vom 13.2.2019, XI R 41/17, veröffentlicht am 24.4.2019.
 

Verlag Dr. Otto Schmidt