06.10.2017

Teilwertermittlung bei Tonnagebesteuerung

Für die Ermittlung des Teilwerts zur Errechnung des Unterschiedsbetrags gelten die allgemeinen Grundsätze einschließlich der Vermutung, dass der Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten des Schiffs entspricht.

Kurzbesprechung
BFH v.17.8. 2017 - IV R 3/14

EStG § 5a, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7
AO § 18 Abs. 1 Nr. 2, § 162, § 171 Abs. 10, § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1

Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein - den Betrieb fortführender - Erwerber im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Der Begriff des Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist auch maßgeblich für den Teilwert nach § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG im Rahmen der sog. Tonnagebesteuerung.

Um die Schätzung des Teilwerts zu vereinfachen, hat die Rechtsprechung Teilwertvermutungen aufgestellt. Danach decken sich im Zeitpunkt des Erwerbs oder der Fertigstellung eines Wirtschaftsguts die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit dem Teilwert. Zu den auf die Anschaffung oder Herstellung folgenden Bilanzstichtagen entspricht der Teilwert bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens den um die AfA geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

In der Regel geben die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum Zeitpunkt der Leistung die objektiven Wertverhältnisse wieder. Dies beruht auf der Annahme, dass die Wiederbeschaffung Aufwendungen in derselben Höhe erforderlich machen würde. Zu der AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig "Hochsee-, Küsten- und Binnenschifffahrt" (BMF - Schreiben 16.9. 1992 - IV A 7 S 1551 103/92, BStBl. I 1992, 570) hat der BFH bereits 2011 entschieden, dass die in dieser AfA-Tabelle aufgeführte, auf Erkenntnisse aus dem Jahr 1972 gestützte zwölfjährige Nutzungsdauer von "sonstigen Schiffen" bei den hierunter fallenden Tankschiffen im Regelfall zu einer unzutreffenden Besteuerung führt, weil die tatsächliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Tankschiffe über die Jahre angestiegen sei und jedenfalls schon Mitte der 1990er Jahre erheblich über der den AfA-Tabellen zugrunde liegenden zwölfjährigen Nutzungsdauer gelegen habe.

Im entschiedenen Streitfall hatte sich das FG auf das BMF - Schreiben v. 31.10. 2008 IV - C 6 S 2133 a/07/10001 (BStBl. I 2008, 956, Rz 21) gestützt, das nicht beanstandet, wenn der Teilwert in der Weise ermittelt wird, dass von den ursprünglichen Anschaffungskosten AfA nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG unter Berücksichtigung einer Nutzungsdauer von 25 Jahren abgezogen wird und ein Schrottwert unberücksichtigt bleibt.

Demgegenüber vertritt der BFH die Auffassung, dass das BMF-Schreiben im Ergebnis lediglich eine "Nichtaufgriffsgrenze" markiert, die als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten entfaltet Zudem stellt eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Tankschiffs von 25 Jahren eine regelmäßig (wohl) nicht erreichte Obergrenze dar.

Der BFH hat den Streitfall daher zur weiteren Sachverhaltsermittlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Im Zweifel wird das FG auch darüber zu entscheiden haben, ob für die Teilwertermittlung ein Sachverständigengutachten erforderlich sein wird.

Der BFH hat weiterhin entschieden, dass der Wortlaut des § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG (Feststellung des Unterschiedsbetrags im Übergangsjahr) nicht darauf abstellt, dass die Vorschrift des § 5a Abs. 1 EStG im Folgejahr zu Recht angewendet worden ist, weil die Voraussetzungen für den Übergang zur Gewinnermittlung nach der Tonnage sämtlich vorgelegen haben. Vielmehr ist hierfür allein entscheidend, ob in dem auf das Übergangsjahr folgenden Wirtschaftsjahr die Gewinnermittlung tatsächlich nach § 5a Abs. 1 EStG vorgenommen worden ist. Für diese Auslegung spricht auch die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 EStG im Übergangsjahr und im Folgejahr.

BFH, Urteil vom 17.8.2017, IV R 3/14, veröffentlicht am 4.10.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt