29.11.2016

Teurere Zahnbehandlungsalternative muss trotz fehlender Unterschrift bezahlt werden

Bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.

BGH 3.11.2016, III ZR 286/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Zahnärztin. Die gesetzlich krankenversicherte Beklagte war im September 2012 erstmals in der Praxis der Klägerin zur Zahnbehandlung erschienen. Die Klägerin erstellte daraufhin zwei Heil- und Kostenpläne. Ein Plan hatte die Erbringung reiner kassenzahnärztlicher Leistungen (ohne Eigenanteil) zum Gegenstand, während der andere zusätzliche, zahnmedizinisch nicht notwendige Arbeiten (mehrflächige Keramikverblendung sowie eine keramikverblendete Krone mit Geschiebe als Halterung) vorsah und in der Anlage einen voraussichtlichen Eigenanteil i.H.v. 6.838 € auswies.

Die Beklagte, die von einer Praxismitarbeiterin darauf hingewiesen worden war, dass sie ihr Einverständnis zu der Behandlung schriftlich erklären müsse, nahm beide Pläne mit nach Hause und reichte schließlich den einen Eigenanteil ausweisenden Heil- und Kostenplan bei ihrer Krankenversicherung zur Genehmigung ein. Den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plan gab sie sodann an die Klägerin zurück, ohne jedoch die in dem Planformular und der beigefügten Anlage vorgesehene Unterschrift zu leisten. Dies wurde von den Praxismitarbeitern nicht bemerkt.

Ab November 2012 erbrachte die Klägerin die vereinbarten zahnprothetischen Leistungen und verlangte kurz darauf einen auf die Beklagte entfallenden Eigenanteil i.H.v. 3.860 €. Die Beklagte leistete trotz Mahnung keine Zahlungen. Daraufhin machte die Klägerin den Betrag gerichtlich geltend. Im Prozess berief sich die Beklagte darauf, dass hinsichtlich eines von ihr zu tragenden Eigenanteils keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei.

Das AG gab der auf Zahlung von 3.860 € gerichteten Klage statt; das LG wies sie ab. Auf Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und wies die Berufung der Beklagten zurück.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem genehmigten Heil- und Kostenplan aus September 2012 auf Zahlung eines Eigenanteils an den zahnärztlichen Behandlungskosten i.H.v. 3.860 €. Zwischen den Parteien war ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag - jedenfalls konkludent - zustande gekommen, indem die Klägerin die Behandlung der Beklagten übernommen und auf der Grundlage des ausgewählten Heil- und Kostenplans ab November 2012 durchgeführt hatte.

Zutreffend war das LG davon ausgegangen, dass die Parteien keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen hatten, da der der Behandlung zugrunde liegende Heil- und Kostenplan nicht der Form des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ genügt und deshalb nach § 125 S. 1 i.V.m. § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nichtig war. Zahnärztliche Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgehen und darauf beruhen, dass der Patient eine ästhetisch ansprechendere Lösung wünschte, darf der Zahnarzt nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des - über die fehlende Notwendigkeit aufgeklärten - Zahlungspflichtigen erbracht (§ 1 Abs. 2 S. 2 GOZ) und zuvor in einem Heil- und Kostenplan einschließlich der Vergütung schriftlich vereinbart wurden (§ 2 Abs. 3 S. 1 GOZ). Dabei handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Schriftform i.S.d. § 126 BGB. Somit muss der Heil- und Kostenplan von beiden Parteien eigenhändig unterschrieben werden, was hier nicht der Fall war.

Die Berufung der Beklagten auf die Formunwirksamkeit des Heil- und Kostenplans verstieß jedoch gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Die Voraussetzungen einer besonders schweren Treuepflichtpflichtverletzung lagen vor. Die umfassend aufgeklärte Beklagte hatte sich bewusst für die teurere Behandlungsalternative entschieden und den einen erheblichen Eigenanteil ausweisenden Heil- und Kostenplan bei der Krankenversicherung eingereicht. Erstmals nach Abschluss der Behandlung, nachdem die Beklagte sämtliche Vorteile aus der zahnärztlichen Versorgung gemäß dem Heil- und Kostenplan in Anspruch genommen hatte, hat sie sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen. Somit konnte sie sich nicht auf den mit der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ verfolgten Zweck (Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung, Information des Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten) und die Formnichtigkeit der Vergütungsvereinbarung berufen.

Das Vertrauen der Klägerin auf das Zustandekommen einer wirksamen Honorarvereinbarung war auch schutzwürdig. Schließlich führte lediglich ein schlichtes Büroversehen der Praxismitarbeiter der Klägerin dazu, dass die fehlende Unterzeichnung unentdeckt geblieben war. Die Anwendbarkeit des § 242 BGB schied letztlich auch nicht deshalb aus, weil bei Berücksichtigung des Formmangels gem. § 126 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 2 Abs. 3 GOZ der Klägerin etwa ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB zustünde. Denn bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.

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