09.03.2015

Tierärzte haben grundsätzlich eine vertragliche Aufklärungspflicht

Zwar ist die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der in der Humanmedizin zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten gebotenen Aufklärung zu vergleichen. Bei besonders risikoreichen Behandlungen und auch finanziellen Eigentümerinteressen muss der Tierarzt den Eigentümer über die Risiken der Behandlung und über andere Behandlungsmöglichkeiten aufklären.

OLG Hamm 13.1.2015, 26 U 95/14
Der Sachverhalt:
Bei den Klägern handelte es sich um ein Ehepaar aus Dänemark. Sie waren Eigentümer eines im Jahr 1999 geborenen Dressurpferdes. Das Pferd hatten sie im Jahre 2006 für ca. 300.000 € erworben. Im Mai 2008 fiel das Tier auf einem Turnier in den Niederlanden durch fehlende Elastizität und fehlenden Schwung auf. Die Kläger stellten es daraufhin dem beklagten Tierarzt aus Bochum vor. Der Beklagte stellte nach einer Röntgenuntersuchung die Verdachtsdiagnose der Ataxie und empfahl eine chiropraktische Maßnahme. Dieser stimmten die Kläger im Rahmen eines Telefonats zu.

Zur chiropraktischen Behandlung wurde das Pferd in der Praxis des Beklagten in Kurznarkose gelegt. Nach der Behandlung konnte das Pferd nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später. Die Kläger waren der Ansicht, das Pferd sei vom Beklagten unzureichend untersucht und falsch behandelt worden. Unter Hinweis auf eine nach ihrer Darstellung unzureichende Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen verlangten die Kläger vom Beklagten Schadensersatz für den Verlust des Tieres i.H.v. rund 500.000 €.

Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Allerdings muss noch die konkrete Schadenshöhe in dem vor dem LG fortzusetzenden Prozess geklärt werden.

Die Gründe:
Der Beklagte haftet gegenüber den Klägern dem Grunde nach aufgrund eines Aufklärungsfehlers.

Zwar ist die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der in der Humanmedizin zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten gebotenen Aufklärung zu vergleichen. Ein Tierarzt hat aber grundsätzlich eine vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht. Bei besonders risikoreichen Behandlungen und auch finanziellen Eigentümerinteressen muss der Tierarzt den Eigentümer über die Risiken der Behandlung und über andere Behandlungsmöglichkeiten aufklären.

Der beklagte Tierarzt im vorliegenden Fall hatte es versäumt, die Kläger ausreichend über Risiken und weitere Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären. Nach der Darstellung des tiermedizinischen Sachverständigen war eine Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd mit besonderen Risiken verbunden, da die Tiere beim Aufstehen besondere Koordinierungsschwierigkeiten haben. Darüber hinaus gab es andere Behandlungsmöglichkeiten in Form einer operativen, medikamentösen oder chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd, auf die die Eigentümer hätten hingewiesen werden müssen.

Im vorliegenden Fall war es einzig Sache der Eigentümer, sich zwischen einer schnelleren, risikobehafteten Behandlung mittels eines unter Narkose ausgeführten chiropraktischen Eingriffs und einer länger dauernden, dafür aber risikoloseren Behandlungen, z.B. mittels Medikamenten, zu entscheiden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die vom Beklagten durchgeführte Behandlung eingewilligt hatten. Die Angabe der Kläger, sie hätten in diesem Fall zunächst einen Tierarzt ihres Vertrauens in Dänemark konsultiert, war nachvollziehbar, zumal sie vor der Behandlung durch den Beklagten von einer eher kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigung bei dem Pferd ausgegangen waren.

OLG Hamm PM v. 6.3.2015
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