09.05.2014

Toilettenfrauen sind Reinigungskräfte

Ein Betrieb, der sich verpflichtet, etwa in Warenhäusern und Einkaufszentren Kundentoiletten sauber zu halten und hierbei Trinkgelder einnimmt, ist ein Reinigungsbetrieb. Die bei ihm angestellten Toilettenfrauen sind schwerpunktmäßig Reinigungskräfte und nicht lediglich "Bewacherinnen von Trinkgeldtellern".

LSG Berlin-Brandenburg 7.5.2014, L 9 KR 384/12
Der Sachverhalt:
Im September 2009 hatte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund eine Betriebsprüfung bei der Klägerin, einem Berliner "Reinigungsservice", durchgeführt. Der Betrieb hat sich auf die Betreuung von Kundentoiletten in Einkaufszentren, Warenhäusern und ähnlichen Einrichtungen spezialisiert. Die Beklagte forderte daraufhin für den Prüfzeitraum 2005 bis 2008 rund 118.000 € an Sozialversicherungsbeiträgen nach. Der Betrieb habe zahlreichen angestellten Toilettenfrauen nicht den laut Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks geschuldeten Mindestlohn von rund 6 bis 8 € gezahlt, sondern lediglich zwischen 3,60 und 4,50 €. Infolgedessen müssten für die Lohndifferenz die Versicherungsbeiträge nachgezahlt werden, so die Rentenversicherung.

Hiergegen wandte sich die Klägerin. Sie war der Ansicht, die Nachforderung sei für ihren kleinen Betrieb existenzvernichtend. Schließlich sei sie auch falsch, da für ihren Betrieb der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks überhaupt nicht gelte. Die Reinigungstätigkeit habe für den Betrieb nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Schwerpunkt der Tätigkeit der Toilettenfrauen, in der Regel Rentnerinnen, sei vielmehr die Bewachung der Teller für das Trinkgeld gewesen.

Das SG wies die Klage ab. Auch die Berufung der Klägerin vor dem LSG blieb erfolglos. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Für die Rechtmäßigkeit der Nachforderung kam es auf die Frage an, ob die eingesetzten Toilettenfrauen als Reinigungskräfte i.S.d. Tarifvertrages des Gebäudereinigerhandwerks anzusehen sind. Dies war ausdrücklich zu bejahen.

Ein Betrieb, der sich verpflichtet, etwa in Warenhäusern und Einkaufszentren Kundentoiletten sauber zu halten und hierbei Trinkgelder einnimmt, ist ein Reinigungsbetrieb. Die bei ihm angestellten Toilettenfrauen sind schwerpunktmäßig Reinigungskräfte und nicht lediglich "Bewacherinnen von Trinkgeldtellern". Infolgedessen gilt für sie der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks. Die Höhe der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge berechnet sich nach den tarifvertraglich vorgeschriebenen Mindestlöhnen und nicht nach den erheblich niedrigeren tatsächlich gezahlten Löhnen.

Es sprach letztlich auch viel dafür, dass in der Geschäftspraxis der Klägerin (unabhängig von der rechtswidrigen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen) auch ein Betrug gegenüber dem Toilettennutzer und "Trinkgeldspender" gesehen werden kann; schließlich geht dieser regelmäßig davon aus, das Trinkgeld unmittelbar der anwesenden Reinigungskraft zukommen zu lassen, die es im vorliegenden Fall aber vollständig an den Toilettenpächter abführen musste.

LSG Berlin-Brandenburg PM vom 7.5.2014
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