23.01.2013

Trotz gehäuft auftretender Bagatellprobleme an gekauftem Fahrzeug kein Recht zum Rücktritt ohne Fristsetzung zur Mängelbeseitigung

Ob ein Neufahrzeug wegen aufgetretener Mängel als sog. "Montagsauto" anzusehen ist, beurteilt sich danach, ob der bisherige Geschehensablauf die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von Mängeln sein wird. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist unzumutbar, wenn es sich bei der weitaus überwiegenden Anzahl der Mängel um bloße Bagatellprobleme handelt.

BGH 23.1.2013, VIII ZR 140/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger kaufte im Juni 2008 zum Preis von 133.743 € brutto von der Beklagten ein neues Wohnmobil, das ihm Ende April 2009 gegen Zahlung des Kaufpreises ausgeliefert wurde. Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte der Kläger das Wohnmobil insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt der Beklagten. So rügte er im Mai 2009 zwanzig Mängel (u.a. Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt). Im August 2009 und im März 2010 rügte er weitere Mängel.

Mit Anwaltsschreiben von April 2011 erklärte der Kläger - nachdem er zwischenzeitlich weitere Mängel selbst beseitigt hatte und erneut Garantiearbeiten hatte durchführen lassen - den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er rügte das Vorhandensein von fünfzehn Mängeln, deren Beseitigung nach den Erkenntnissen eines von ihm beauftragten Sachverständigen einen Kostenaufwand von 5.464 € netto verursachen würde. Die Beklagte wies den Rücktritt zurück und bot demgegenüber die Beseitigung vorhandener Mängel im Wege der Nacherfüllung an. Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch.

Er vertritt die Auffassung, in Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel handele es sich um ein sog. "Montagsauto". Daher sei der Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung zulässig. Mit seiner Klage macht der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises (abzgl. Wertminderung) und Erstattung aufgewendeter Gutachterkosten, insgesamt 125.186 € (nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils geltend.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die vom Kläger gerügten Mängel berechtigen ihn nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Es unterliegt der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein sog. "Montagsauto" vorliegt, bei dem eine (weitere) Nacherfüllung für den Käufer gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich oder nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist. Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als "Montagsauto" anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird.

Das OLG hat vorliegend zu Recht eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht als unzumutbar angesehen. Dabei ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Umstand, dass innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums zahlreiche Mängel aufgetreten sind, aufgrund anderer bedeutsamer Aspekte entscheidend an Gewicht verliert. Insbes. handelt es sich nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des OLG bei der weitaus überwiegenden Anzahl der vom Kläger beanstandeten Mängel um bloße Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, sondern dessen Optik und Ausstattung betreffen. Das OLG hat diesen Problemen zu Recht lediglich "Lästigkeitswert" beigemessen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 8 vom 15.1.2013
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