Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter durch formularmäßige Vereinbarung
BGH 10.2.2016, VIII ZR 137/15Die Beklagten waren bis Ende Juli 2012 Mieter einer Wohnung der Klägerinnen. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten zur Tragung von Betriebskosten verpflichtet waren. Der Formularmietvertrag von April 2007 enthält in § 4 ("Miete") zu den Betriebskosten folgende Regelungen:
Ziffer 1: "Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gem. Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 Zweite Berechnungsverordnung (Abwasser, Gebühren, Steuern, Versicherung etc.) 100 €."
Ziffer 3: "Für Art und Umfang der Betriebskosten ist die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 Zweite Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung maßgebend."
Darüber hinaus hatten die Klägerinnen mit einem mündlich geschlossenen Mietvertrag Wohnräume in einem angrenzenden Gebäude gemietet. Auch dieses Mietverhältnis endete Ende Juli 2012. Die Klägerinnen begehren die Zahlung rückständiger Miete aus beiden Mietverhältnissen für den Zeitraum Januar bis Juli 2012 i.H.v. rd. 4.200 € (davon je 100 € Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis April 2012) nebst Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltsgebühren und der Kosten einer Meldeauskunft. Die Beklagten erklärten gegenüber dem Zahlungsanspruch hilfsweise die Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch, den sie darauf stützen, dass die in der Vergangenheit auf die Betriebskosten erbrachten Zahlungen mangels wirksamer Umlagevereinbarung ohne Rechtsgrund erfolgt seien.
Das AG gab der Klage in vollem Umfang statt. In der Berufungsinstanz erklärten die Parteien den Rechtsstreit i.H.v. 300 € (Betriebskostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2012) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Im Übrigen wies das LG die Klage ab. Auf die Revision der Klägerinnen hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG überwiegend zurück und verwies die Sache wegen der Betriebskostenvorauszahlung für den Monat April 2012 i.H.v. 100 € an das LG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG sind die den Klägerinnen gem. § 535 Abs. 2 BGB zustehenden Mietforderungen i.H.v. rd. 3.800 € nicht durch Aufrechnung erloschen. Den Beklagten steht hinsichtlich der von Januar 2009 bis März 2012 geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) zu. Anders als das LG meint, sind sie nach § 4 Ziffer 1 und 3 des Formularmietvertrags zur Tragung der Betriebskosten und zur Erbringung mtl. Vorauszahlungen verpflichtet. Die genannten Regelungen im Mietvertrag sind ausreichend bestimmt und halten einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stand. Aus diesen Gründen kann mit der vom LG gegebenen Begründung auch ein Anspruch auf Leistung einer Betriebskostenvorauszahlung für den Monat April 2012 (100 €) - hinsichtlich der Monate Mai bis Juli 2012 ist der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden - nicht verneint werden.
Nach BGH-Rechtsprechung bedarf es zu einer wirksamen Umlagevereinbarung von Betriebskosten in der Wohnraummiete - auch in einem Formularvertrag - nicht der Aufzählung der einzelnen Betriebskosten. Vielmehr hat es der Senat - jedenfalls soweit es nicht um "sonstige" Betriebskosten i.S.v. Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung geht - genügen lassen, dass auf die Betriebskosten gem. der Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung verwiesen wird. Um eine derartige Klausel geht es auch hier. Entgegen der Auffassung, die das LG vertritt, ist es ohne Bedeutung, dass die Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung bei Abschluss des Mietvertrags nicht mehr in Kraft, sondern inzwischen durch die - im wesentlichen inhaltsgleiche - Betriebskostenverordnung ersetzt worden war.
Die im Mietvertrag von April 2007 zu den Betriebskosten getroffenen formularmäßigen Bestimmungen sind dahin auszulegen, dass die Beklagten die Betriebskosten gem. § 556 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. dem Betriebskostenkatalog in der dazu erlassenen Betriebskostenverordnung zu tragen haben. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Begriff der Betriebskosten seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz definiert ist. Bereits in im November 1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung findet sich in § 27 die Definition, dass es sich dabei um die Kosten handelt, die "dem Eigentümer durch das Eigentum oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen".
Seit dem 1.1.2007 ist dieselbe Definition nunmehr in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB selbst enthalten - unter Verweis auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003, die den bis 31.12.2003 geltenden Betriebskostenkatalog in der Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung abgelöst hat. Angesichts der vorbeschriebenen Gesetzeslage, die den Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit langem festlegt, ist der hier im Mietvertrag verwendete Begriff der Betriebskosten ohne Weiteres in diesem Sinne zu verstehen, das heißt wie jetzt in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt und in dem aufgrund der darin enthaltenen Ermächtigung erlassenen Betriebskostenkatalog erläutert. Im Übrigen sind die mietvertraglichen Bestimmungen zu den Betriebskosten auch nicht unklar; insbesondere liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht vor.
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