Übertragung einer § 6b-Rücklage auf eine EU-Betriebsstätte
KurzbesprechungEStG § 6b Abs. 1 Sätze 1 und 2 u. § 6b Abs. 2a i.d.F. des StÄndG 2015
AEUV Art. 49
Im Streitfall betrieb der Steuerpflichtige einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn er durch Bestandsvergleich ermittelte. Zu diesem Betrieb gehörte eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG aus der Veräußerung eines Grundstücks im Wirtschaftsjahr 2005/2006.
In 2010 beteiligte sich der Steuerpflichtige zu 50 % als Kommanditist an der ungarischen KG, die einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Dieses Unternehmen, das in Ungarn Land- und Forstwirtschaft betreibt, erwarb am 24.6. 2010 ein landwirtschaftliches Grundstück zum Preis von umgerechnet 1.827,37 €.
Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 übertrug der Steuerpflichtige 900 € aus der § 6b - Rücklage auf das Grundstück in Ungarn. Dagegen löste das FA die Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in Höhe von 900 € erfolgswirksam und unter Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG auf. Hierzu verwies es auf die nicht erfüllten Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG, da das Grundstück in Ungarn nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehöre.
Während der Steuerpflichtige im FG - Verfahren Erfolg hatte, wies der BFH im Revisionsverfahren die Klage ab. Er entschied, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Übertragung der Rücklage nur dann in Betracht kommt, wenn ein Reinvestitionsobjekt i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Außerdem ist Voraussetzung, dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Das Grundstück in Ungarn, das dem Steuerpflichtigen bei Anwendung des § 6b EStG grundsätzlich entsprechend seiner Beteiligungsquote anteilig zuzurechnen war, diente dem Betrieb der KG und war damit keiner inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen.
An diesem Ergebnis hat auch die rückwirkende Einfügung des § 6b Abs. 2a EStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 (StÄndG 2015) nichts geändert. Grund hierfür war die Entscheidung des EuGH v. 16.4. 2015 C - 591/13, wonach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstoße. Der Gesetzgeber hat daraufhin § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 geschaffen, der gemäß § 52 Abs. 14 EStG auch auf Veräußerungsgewinne anzuwenden ist, die vor Gesetzesverkündung (6.11.2015) entstanden sind.
Nach § 6b Abs. 2a Satz 1 EStG kann die festgesetzte Steuer, die auf einen Gewinn i.S. des Abs. 2 entfällt, auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden. Voraussetzung ist, dass im Jahr der Veräußerung eines nach Abs. 1 Satz 1 begünstigten Wirtschaftsguts oder in den folgenden vier Jahren ein in Abs. 1 Satz 2 bezeichnetes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zuzuordnen ist.
§ 6b Abs. 2a EStG vermittelt lediglich einen Anspruch auf zinslose Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer. Im Rahmen der Steuerfestsetzung bleibt es dagegen bei der bisherigen Regelung, so dass die vom FA vorgenommene Auflösung der Rücklage zutreffend erfolgt war.
Der BFH hält es auch für unionsrechtskonform, dass § 6b Abs. 2a EStG die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stundet, und der Stundungszeitraum einen Zeitraum von fünf Jahren erfasst. Wurden - wie im Streitfall - begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert und die Steuererklärung vor dem 6.11. 2015 (Zeitpunkt der Gesetzesverkündung) bereits abgegeben, genügt ein nachträglich gestellter Stundungsantrag "für" das betreffende Wirtschaftsjahr. Der Steuerpflichtige ist daher in einem solchen Fall auf Antrag so zu stellen, als habe er rechtzeitig Stundung begehrt.
BFH, Beschluss vom 22.6.2017 - VI R 84/14, veröffentlicht am 23.8.2017