18.06.2018

Überwachungskamera: Berechtigte Befürchtung einer Bildaufzeichnung reicht für ein Verbot aus

Bei der Installation von Anlagen der Überwachung auf einem Privatgrundstück muss sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang von den Kameras erfasst werden, sofern nicht überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung, sondern es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung.

AG München 14.11.2017, 172 C 14702/17
Der Sachverhalt:
Die Kläger und der Beklagte sind Nachbarn. Der Beklagte hatte auf einer Birke auf der den Klägern zugewandten Seite eine Kamera installiert, die zu deren Grundstück hin ausgerichtet wurde. Die Kamera macht nur dann einzelne Fotos, wenn ein Bewegungsimpuls auf dem Grundstück des Beklagten erfolgt. Der Auslösebereich ist so gewählt, dass eine Person die Einzelbildaufnahme auslöst, wenn sie die Umfriedung überwunden hat und sich auf dem Grundstück des Beklagten befindet. Eine Person vor dem Gartentor oder auf dem Grundstück der Kläger aktiviert die Kamera nicht. Die Kamera kann zudem auch filmen.

Die Kläger behaupteten, die Kamera sei zunächst so eingestellt gewesen, dass das Gartentor zu ihrem Grundstück und die Auffahrt der Kläger überwacht worden waren. Aufgrund des leicht veränderbaren Blickwinkels der Kamera bestehe zudem erhöhte Missbrauchsgefahr. Bei Befestigung an der Garagenwand sei es dem Beklagten ohne weiteres möglich sein Grundstück zu überwachen, ohne die Rechte der Kläger zu verletzen.

Das AG gab der Unterlassungsklage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Beklagte hat es bei Meidung eines Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, mittels der an dem Baum auf seinem Grundstück installierten Videokamera das von dem klagenden Ehepaar gemietete Nachbargrundstück zu beobachten, insbesondere Bildnisse oder Filmaufnahmen vom Grundstück oder darauf befindlichen Personen anzufertigen, zu speichern, zu vervielfältigen, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu verwenden.

Durch die Installation der Kamera, die auch auf die nachbarliche Auffahrt als einzigem Zugang zum Grundstück der Kläger gerichtet ist, ist das Persönlichkeitsrecht der Kläger beeinträchtigt. Denn wenn Bewegungen Dritter auf dem Grundstück des Beklagten die Aufnahmefunktion auslösen, können zufällig zeitgleich auf dem Grundstück der Kläger befindliche erwachsene Personen im Stehen maximal bis zum Hüftbereich, kleine Kinder in ganzer Größer erfasst werden. Beim Bücken wäre eine Ablichtung der Kläger auch in ganzer Größe möglich.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss allerdings bei der Installation von Anlagen der Überwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann. Infolgedessen besteht, unabhängig davon, ob die streitgegenständliche Kamera tatsächlich ein Lichtbild der Kläger erstellt hat, allein durch die Platzierung mit Ausrichtung zu der gemeinsam genutzten Auffahrt jedenfalls für die Kläger eine Verdachtssituation, die sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung, sondern es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung. Es liegt auf der Hand, dass die Kläger sich, wenn sie aus ihrem Haus kommen oder zu ihrem Haus gehen und ihre Auffahrt benutzen, durch die Ausrichtung kontrolliert fühlen. Dabei können sie weder beeinflussen, wann sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen werden, noch können sie feststellen, ob solche Aufzeichnungen gefertigt wurden. Zudem ist unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien bestehenden nachbarschaftlichen Streitsituation die Befürchtung der Kläger überwacht zu werden nachvollziehbar. Insofern rechtfertigt auch die vom Beklagten angeführte häufige berufsbedingte Abwesenheit die Aufzeichnungen nicht, zumal er die Kamera auch so an seiner Wand anbringen könnte, dass allein sein Grundstück beobachtet würde.

AG München PM vom 15.6.2018