Umgangsrecht im Bereich der elterlichen Verantwortung schließt das Umgangsrecht der Großeltern ein
EuGH, C-335/17: Schlussanträge des Generalanwalts vom 12.4.2018Die Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie ist die Großmutter mütterlicherseits eines minderjährigen Kindes, das 2002 geboren wurde. Seit der Scheidung seiner Eltern hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinem Vater, einem griechischen Staatsangehörigen, in Griechenland. Seine Großmutter möchte ein Umgangsrecht erwirken. Sie hat die bulgarischen Gerichte ersucht, die Modalitäten für die Ausübung des Umgangsrechts zwischen ihr und ihrem Enkel festzulegen, da es ihr nicht möglich sei, guten Kontakt zu ihrem Enkel zu halten, und sie die griechischen Behörden erfolglos um Unterstützung gebeten habe. Sie möchte ihren Enkel regelmäßig an einem Wochenende pro Monat sehen und ihn zweimal im Jahr während seiner Ferien für zwei oder drei Wochen zu sich nehmen.
Die bulgarischen Instanzgerichte wiesen den Antrag zurück. Der in letzter Instanz angerufene Oberste Kassationsgerichtshof in Bulgarien hält zur Bestimmung des zuständigen Gerichts die Klärung der Frage für erforderlich, ob die Brüssel-IIa-Verordnung für das Umgangsrecht der Großeltern gilt, und wendet sich daher im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH.
Die Gründe:
Generalanwalt Maciej Szpunar hat in seinen Schlussanträgen zunächst auf die grundlegende Bedeutung hingewiesen, die nach der Brüssel-IIa-Verordnung dem Grundsatz des Vorrangs des Kindeswohls zukommt, von dem er sich bei seiner Analyse in der vorliegenden Rechtssache leiten lassen muss.
Wenn Anträge anderer Personen als der Eltern auf Umgang nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel-IIa-Verordnung fallen, wäre die gerichtliche Zuständigkeit für sie anhand nicht harmonisierter nationaler Vorschriften zu bestimmen. Die Gefahr, dass mit dem Rechtsstreit das Gericht eines Staates befasst wird, zu dem das Kind keine enge Verbindung aufweist, und die Gefahr paralleler Verfahren und miteinander unvereinbarer Entscheidungen würden zunehmen, was dem Zweck der Brüssel-IIa-Verordnung zuwiderlaufen würde, mit der in Gerichtsverfahren einheitliche Zuständigkeitsregeln unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Nähe festgelegt werden sollten.
Der Generalanwalt befasst sich überdies mit den einschlägigen internationalen Vertragswerken wie dem Haager Übereinkommen von 19962. Er stellt fest, dass der Begriff des Umgangsrechts darin weit gefasst ist, was die Einbindung der Beziehungen zwischen nahen Verwandten in das Familienleben, bei dem sie eine erhebliche Rolle spielen können, bestätigt. Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass der Begriff des Umgangsrechts auch andere Personen als die Eltern einschließt, wenn diese Personen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht familiäre Bindungen zu dem Kind haben.
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