27.07.2017

Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen

Der BFH zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B ("Pkw-Führerschein") und C1 und hat daher dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie Leistungen erbringen.

Kurzbesprechung
BFH - Beschluss v. 16.3.2017 - V R 38/16

UStG § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb

Im Streitfall war die Steuerpflichtige unterrichtend zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 3 500 kg und zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer) und C1 (ähnlich wie Fahrerlaubnis B, aber bezogen auf Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse von nicht mehr als 7 500 kg) tätig. Sie hatte für ihre Leistungen keine Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt.

Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind Unterrichtsleistungen zur Erlangung derartiger Fahrerlaubnisse steuerpflichtig. Fahrschulen sind insoweit keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Der BFH will jetzt mit seinem Vorabentscheidungsersuchen durch den EuGH klären lassen, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei zu stellen ist. Denn im Bereich der Umsatzsteuer hat der nationale Gesetzgeber die Bindungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten. Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Im Streitfall ist maßgebend, dass nach der Richtlinie Unterricht, den sog. anerkannte Einrichtungen oder Privatlehrer erteilen, von der Steuer zu befreien ist (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL). Weitgehend identische Vorgängerbestimmungen gelten bereits seit 1979 mit verbindlicher Wirkung.

Im Vorlagefall bejaht der BFH den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung nach § 4 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer.

Beraterhinweis: Betroffene Steuerpflichtige sollten gegen entsprechende Steuerbescheide Einspruch einlegen. Außerdem können bei einer Vorlage an den EuGH ernstliche Zweifel im Sinne von § 361 AO bejaht werden, so dass auch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sein wird.

BFH, Urteil vom 16.3.2017, V R 38/16, veröffentlicht am 26.7.2017
Verlag Dr. Otto Schmidt