Unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F. bei Steuerfreistellung nach DBA
KurzbesprechungKStG 1999 i.d.F. bis zur Änderung durch das StSenkG § 8b Abs. 6 Nr. 1
DBA- Belgien Art. 23 Abs. 1 Nr. 3
AEUV Art. 49, Art. 54, Art. 63
Freundschaftsvertrag USA Art. XI Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 Buchst. a
Nach § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F. sind in dem Fall, dass Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, nach § 8b Abs. 4 Satz 1 und 3 oder nach Abs. 5 von der Körperschaftsteuer befreit sind, Gewinnminderungen, die durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an der ausländischen Gesellschaft entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts auf die Gewinnausschüttungen zurückzuführen ist.
Im Streitfall war die Gewinnausschüttung, die in der Gewinnermittlung der Steuerpflichtigen zur streitbefangenen ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung auf die Beteiligung führte, nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 des DBA - Belgien in Deutschland steuerbefreit. Die Teilwertabschreibung beruhte daher ausschließlich auf dieser Gewinnausschüttung und betraf keine Auskehrung von Rücklagen.
Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt, dass für die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Grundfreiheit fällt, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen ist. Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen.
Bezogen auf den eindeutigen Wortlaut des § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F., der danach differenziert, ob die Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, (alternativ) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA), nach (§ 8b) Abs. 4 Satz 1 und 3 oder nach (§ 8b) Abs. 5 von der Körperschaftsteuer befreit sind, war unter den Gegebenheiten des Streitfalls die Niederlassungsfreiheit einschlägig.
In § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F. hat sich der Gesetzgeber hinsichtlich der Frage, nach welcher Vorschrift die Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, von der Körperschaftsteuer befreit sind, für eine gestufte Prüfung entschieden. Dies wird im Gesetzeswortlaut dadurch deutlich, dass alternativ auf eine Befreiung nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, nach (§ 8b) Abs. 4 Satz 1 und 3 "oder" nach (§ 8b) Abs. 5 abgestellt wird. Entsprechend ergab sich die Freistellung der Gewinnausschüttungen angesichts der Beteiligung der Steuerpflichtigen von 99,9 % an der belgischen Gesellschaft unmittelbar aus Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBA - Belgien, der eine Mindestbeteiligung von 25 % voraussetzt, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 8b Abs. 5 KStG 1999 a.F. bedarf. Die Frage nach der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit war danach für das in Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBA - Belgien enthaltene Mindestbeteiligungserfordernis von 25 % zu beantworten. Bei einem solchen Quorum ist jedoch grundsätzlich die Niederlassungsfreiheit einschlägig.
Der Umstand, dass die Steuerpflichtige nach US-amerikanischem Recht gegründet wurde, führte zu keinem anderen Ergebnis. Die Steuerpflichtige war nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit einbezogen. Gesellschaften stehen nur dann nach Art. 48 EG (jetzt Art. 54 AEUV) für Zwecke der Anwendung der Niederlassungsfreiheit einer natürlichen Person gleich, wenn sie nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet worden sind. Die Mitgliedstaaten können zwar die Anknüpfung bestimmen, die eine Gesellschaft aufweisen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet angesehen zu werden. In Fällen, in denen sie - wie im Streitfall - eine Gesellschaft ausländischen Rechts als solche anerkennen, ist es ihnen aber verwehrt, den persönlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit einseitig zu erweitern.
In Situationen, in denen der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit aufgrund der Zugehörigkeit der Dividenden beziehenden Gesellschaft zur Rechtsordnung eines Drittstaats nicht eröffnet ist, ist eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden mit Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat aber nur dann nach Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) zu beurteilen, wenn sie nicht ausschließlich auf Situationen anwendbar ist, in denen die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ausübt. Andernfalls würde es die Auslegung von Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) Wirtschaftsteilnehmern, die sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, erlauben, in den Genuss dieser Freiheit zu gelangen.
BFH, Urteil vom 19.7.2017, I R 87/15, veröffentlicht am 20.12.2017.