12.12.2017

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück

Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB besteht auch dann keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist.

BGH 13.10.2017, V ZR 45/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und der Kläger sind Wohnungseigentümer in einer aus mehreren Mitgliedern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Grundstück der Wohnungseigentümer grenzt in dem Bereich, in dem der Klägerin ein Sondernutzungsrecht an dem Garten zusteht, an das Grundstück des Beklagten. Dessen Haus ist über einen in diesem Grenzbereich der beiden Grundstücke gelegenen Weg erreichbar; er verläuft teilweise über das Grundstück der Wohnungseigentümer. Das Zugangsrecht wird durch zwei Grunddienstbarkeiten gesichert, die zu Lasten des Grundstücks der Wohnungseigentümer und zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks des Beklagten im Grundbuch eingetragen sind.

In der Bestellungsurkunde für die erste Grunddienstbarkeit vom 30.11.1981 heißt es u.a.: "Für die Grunddienstbarkeit gelten folgende nähere Bestimmungen: Das Recht berechtigt zum ungehinderten Zugang zu dem berechtigten Grundstück auf der beschriebenen Teilfläche. Die Teilfläche darf nicht verstellt werden. Als Inhalt der Grunddienstbarkeit ist weiter vereinbart, dass die Unterhaltskosten des Zugangs der Eigentümer des berechtigten Grundstücks trägt."

Die weitere, im Jahr 1986 bestellte Grunddienstbarkeit bestimmt, dass das Übergangsrecht direkt von der Straße her über das belastete Grundstück ausgeübt werden kann. Der Beklagte hat auf dem vor seinem Haus befindlichen Teil des Zugangswegs eine Holzwand, eine Gartenbank, Pflanzkübel, Blumenkästen, Figuren und ein Gestell aufgestellt. Die Kläger verlangen die Entfernung dieser Gegenstände, soweit sie sich auf dem den Wohnungseigentümern gehörenden Bereich des Zugangsweges befinden, die künftige Unterlassung der Aufstellung von Gegenständen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH die Urteile von AG und LG auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Kläger sind befugt, den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten selbständig gerichtlich geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des LG begründet der geltend gemachte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung besteht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB - anders als etwa für Schadensersatzansprüche - keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG. Dies gilt nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer richten, sondern auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Entgegen der Ansicht des LG ist für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen einen Dritten die Erforderlichkeit eines gemeinschaftlichen Vorgehens der Wohnungseigentümer und damit die Zuordnung zur geborenen Ausübungsbefugnis des Verbandes nicht deshalb zu bejahen, weil es unter den Wohnungseigentümern über die Art des Vorgehens gegen den Störer erhebliche Meinungsunterschiede geben kann. Abgesehen davon, dass auch bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, die sich gegen einen Wohnungseigentümer richten, Meinungsunterschiede hierüber bestehen können, kann etwaigen Differenzen dadurch begegnet werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechtsverfolgung des Anspruches aus § 1004 Abs. 1 BGB durch Beschluss an sich zieht; einzelne Wohnungseigentümer, die mit dem beschlossenen Vorgehen nicht einverstanden sind, können den Beschluss mit der Anfechtungsklage überprüfen lassen.

Auch das Argument, dass der Dritte der Gefahr einer Vielzahl von Einzelklagen der Wohnungseigentümer ausgesetzt wäre, ohne dass eine Rechtskrafterstreckung einträte, vermag die Annahme einer geborenen Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft nicht zu begründen. Einer mehrfachen Inanspruchnahme kann der Dritte dadurch vorbeugen, dass er den anderen Wohnungseigentümern den Streit verkündet. Im vorliegenden Fall ergibt sich eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes auch nicht daraus, dass das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs von dem Umfang der zu Lasten des Grundstücks der Wohnungseigentümer eingetragenen Grunddienstbarkeiten abhängt. Durch ein Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren bleibt der Inhalt und rechtliche Bestand der Grunddienstbarkeiten unberührt, so dass eine gebündelte Rechtsdurchsetzung durch die Gemeinschaft nicht erforderlich ist.

Die Klage ist begründet. Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB zu. Die beanstandete Nutzung des auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer befindlichen Teils des Zugangsweges ist nicht von der Grunddienstbarkeit gedeckt. Die Kläger sind daher nicht zur Duldung (§ 1004 Abs. 2 BGB) verpflichtet. Die Auslegung des Grundbuchs führt zu dem Ergebnis, dass die Grunddienstbarkeit nicht das Recht zum dauerhaften Aufstellen von Gegenständen oder zur Errichtung von Trennwänden auf dem Zugangsweg erfasst.

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