Veranlagungswahlrecht des Insolvenzverwalters
KurzbesprechungEStG § 26, § 26a, § 26b
AO § 34 Abs. 1, Abs. 3, § 37 Abs. 2, § 46 Abs. 1, § 350
InsO § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1, § 80 Abs. 1
InsO a.F. § 313
FGO § 44 Abs. 1, § 105 Abs. 2 Nr. 3
Das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG kann bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheides ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart - vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung - widerrufen werden. Dies kann auch innerhalb eines bereits anhängigen Einspruchsverfahrens erfolgen.
Der BFH hat nun entschieden, dass dieses Veranlagungswahlrecht im Insolvenzverfahren auch vom Insolvenzverwalter bzw. im vereinfachten Insolvenzverfahren vom Treuhänder ausgeübt werden kann.
Der Insolvenzverwalter hat nach § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Im vereinfachten Insolvenzverfahren werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters von dem Treuhänder (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F.) wahrgenommen. Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Zur Masse gehört daher als Neuerwerb das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners, soweit es gemäß § 36 Abs. 1 InsO der Pfändung unterliegt. Ferner gehört auch der nach § 46 Abs. 1 AO pfändbare Lohn- oder Einkommensteuererstattungsanspruch zur Masse, und zwar unabhängig davon, ob er sich auf Veranlagungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder auf die Zeit des noch laufenden Insolvenzverfahrens bezieht.
Da das Veranlagungswahlrecht nach § 26 Abs. 2 EStG kein höchstpersönliches Recht darstellt, ist es in der Insolvenz eines Ehegatten als Verwaltungsrecht mit vermögensrechtlichem Bezug anzusehen und daher nach § 80 Abs.1 InsO vom Insolvenzverwalter auszuüben.
Im Streitfall ging es um die Treuhänderin im vereinfachten Insolvenzverfahren. Das nach Insolvenzeröffnung erzielte Arbeitseinkommen gehörte in den Pfändungsgrenzen als Neuerwerb zur Masse. Ebenso gehörte der Einkommensteuererstattungsanspruch, auch soweit er sich auf die nach Insolvenzeröffnung erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog, zur Masse. Die Treuhänderin durfte deshalb auch das Veranlagungswahlrecht als Verwaltungsrecht mit vermögensrechtlichem Bezug ausüben.
Der Befugnis der Treuhänderin, gegen den Zusammenveranlagungsbescheid Einspruch einzulegen, stand auch nicht entgegen, dass der Bescheid laut seinem Erläuterungsteil nur gegen das insolvenzfreie Vermögen gerichtet war. Denn hinsichtlich des Veranlagungswahlrechts betraf er inhaltlich nicht nur das insolvenzfreie Vermögen, sondern auch die Insolvenzmasse.
Im Streitfall konnte die Treuhänderin den Zusammenveranlagungsbescheid mit ihrem Einspruch zwar nur insoweit anfechten, als eine Steuerfestsetzung für die Zeit ab Insolvenzeröffnung erfolgt war. Denn nur insoweit enthält der Zusammenveranlagungsbescheid in seinem Tenor eine Regelung, durch die eine Beschwer ausgelöst werden kann. Dennoch können dagegen Einwendungen erhoben werden, die über den Regelungsbereich des Steuerbescheides hinausgreifen. Solche Einwendungen sind zulässig, aber nur insoweit zu berücksichtigen, als der Regelungsbereich des Verwaltungsakts berührt ist. Entsprechend konnte die Treuhänderin im Streitfall auch einwenden, dass das Veranlagungsrecht (für den gesamten Veranlagungszeitraum) abweichend ausgeübt wurde, wenn der Zusammenveranlagungsbescheid nur einen Teil des Veranlagungszeitraums betrifft.
BFH, Urteil vom 15.3.2017, III R 12/16, veröffentlicht am 22.11.2017.