Vereinbarungen über einen von § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO abweichenden Gerichtsstand bei Klagen eines Verbrauchers aus Haustürgeschäften unzulässig
BGH 30.10.2014, III ZR 474/13Der Kläger macht gegen die im Fürstentum Liechtenstein ansässige Beklagte Ansprüche auf Rückabwicklung eines Vermögensverwaltungsvertrags geltend. Die Parteien streiten über die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit.
Der Kläger unterzeichnete im April 2007 einen an die D-AG gerichteten Verwaltungsauftrag und einen Serviceauftrag, mit dem er der Beklagten den Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags mit einer Laufzeit von 30 Jahren anbot. Ausweislich des Vertragsangebots sollte der Kläger eine Einmalanlage von 3.600 € zzgl. eines Agios von 180 € sowie über einen Zeitraum von 30 Jahren eine mtl. Anlage von jeweils 100 € zzgl. eines Agios von 5 Prozent leisten. Nach Ziffer VI 3 der Vertragsbedingungen des Serviceauftrags sollte der Vertrag liechtensteinischem Recht unterliegen. Als Erfüllungsort und Gerichtsstand bestimmte die Regelung V. in Liechtenstein. Der Beklagten sollte es freistehen, ihre Rechte auch am Wohnsitz des Klägers oder bei jedem anderen zuständigen Gericht geltend zu machen.
Mit Schreiben von Mai 2007 teilte die Beklagte dem Kläger die Annahme des durch ihn erteilten Auftrags mit. Das Schreiben schließt mit der eingescannten Unterschrift einer Mitarbeiterin der Beklagten. Mit Anwaltsschreiben erklärte der Kläger im Juli 2011 gegenüber der Beklagten die Kündigung des Beteiligungsvertrags. Zugleich erklärte er den Widerruf und die Anfechtung seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung. Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der durch ihn erbrachten Einmalanlage und vier mtl. Raten, insgesamt 4.200 €, die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Servicevertrag von April 2007 keine Ansprüche gegen ihn zustehen, sowie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten.
Er vertrat die Auffassung, das von ihm angerufene LG - in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz hat - sei für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht wirksam zustande gekommen, da die erforderliche Schriftform nicht gewahrt worden sei. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folge aus § 29c ZPO. Durch die Verweisung auf den Klageweg in Liechtenstein werde er entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Klage sei unzulässig, weil die Parteien die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit des Fürstentums Liechtenstein vereinbart hätten.
Das LG wies die Klage als unzulässig ab; das OLG wies die Berufung des Klägers zurück. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die streitgegenständliche Gerichtsstandsvereinbarung ist nach § 29c Abs. 3 ZPO nicht zulässig.
Nach § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. ist für Klagen aus Haustürgeschäften i.S.d. § 312 BGB a.F. das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Verbraucher zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (jetzt: besonderer Gerichtsstand für Klagen aus außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen; siehe jeweils § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO und § 312b BGB). Das OLG hat die Frage, ob der Vertragsschluss in einer Haustürsituation erfolgt ist, ausdrücklich offen gelassen. Revisionsrechtlich war daher von einem Haustürgeschäft und mithin von der Anwendbarkeit des § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. auszugehen.
Der Gerichtsstand für Klagen des Verbrauchers ist in § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO als besonderer Gerichtsstand ausgestaltet, um dem Verbraucher zugleich die Möglichkeit zu erhalten, am allgemeinen Gerichtsstand der anderen Vertragspartei und am Erfüllungsort zu klagen. Die Ausgestaltung des § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO als besonderer Gerichtsstand bedeutet indes nicht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen, durch die dieser Gerichtsstand derogiert wird, gesetzlich nicht begrenzt bzw. ausgeschlossen sein können. Letzteres erfolgt in § 29c Abs. 3 ZPO. Danach ist die streitgegenständliche Gerichtsstandsvereinbarung unzulässig. Nach § 29c Abs. 3 ZPO ist eine von § 29c Abs. 1 ZPO abweichende Vereinbarung zulässig für den Fall, dass der Verbraucher nach Vertragsschluss seinen Wohn- oder Aufenthaltsort ins Ausland verlegt oder sein Wohn- und Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist. Die Vorschrift erlaubt damit für den von ihr genannten Fall in Abweichung von § 29c Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung.
Hierin erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 29c Abs. 3 ZPO jedoch nicht. Vielmehr wird durch die Vorschrift jenseits der dort genannten Ausnahmen jegliche von § 29c Abs. 1 ZPO, das heißt auch von - wie vorliegend - § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO abweichende Vereinbarung ausgeschlossen. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut von § 29c Abs. 3 ZPO, der sich uneingeschränkt auf den gesamten Absatz 1 von § 29c ZPO und nicht nur auf dessen Satz 2 bezieht. Zwar betreffen die in § 29c Abs. 3 ZPO geregelten Fallkonstellationen, in denen ausnahmsweise eine abweichende Vereinbarung zulässig ist, Klagen gegen den Verbraucher und mithin § 29c Abs. 1 S. 2 ZPO. Daraus folgt indes nicht, dass sich § 29c Abs. 3 ZPO insgesamt nur auf § 29c Abs. 1 S. 2 ZPO bezieht.
Auch Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm sprechen für eine Auslegung von § 29c Abs. 3 ZPO dahingehend, dass Gerichtsstandsvereinbarungen, die für Klagen des Verbrauchers von § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO abweichen, nicht zulässig sind. Das OLG, das den Regelungsgehalt von § 29c Abs. 3 ZPO nicht näher erörtert hat, ist somit - auf der Grundlage eines revisionsrechtlich zu unterstellenden Haustürgeschäfts - zu Unrecht von einer aufgrund der streitgegenständlichen Gerichtsstandsvereinbarung fehlenden internationalen Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen LG ausgegangen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das OLG zurückzuverweisen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.