Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen im Jahr 2013
KurzbesprechungAO §§ 233a, 238
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1
Im Streitfall gab der Steuerpflichtige die Einkommensteuererklärung für 2011 im Dezember 2012 ab. Er erwartete eine Einkommensteuernachzahlung von 300.000 €, die er auf einem gesonderten Bankkonto bereithielt. Im Juli 2013 erbrachte der Steuerpflichtige im Hinblick auf die drohende Nachzahlung eine freiwillige Zahlung in Höhe von 366.400 € an das FA. Aus dem im September 2013 ergangen Einkommensteuerbescheid ergab sich ein Nachforderungsbetrag von ca. 390.000 €. Hierfür setzte das FA Nachzahlungszinsen von 0,5 % monatlich fest, die sich für den Zinszeitraum April 2013 bis September 2013 auf ca. 11.000 € beliefen. Dem Antrag des Steuerpflichtigen, die Zinsen zu erlassen, entsprach das FA nur insoweit, als es wegen der im Juli 2013 erfolgten freiwilligen Zahlung einen Erlass der Zinsen für August und September 2013 aussprach.
Nach erfolglosem Klageverfahren wies auch der BFH die eingelegte Revision ab und bejahte ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Zinsregelung, weshalb eine Vorlage an das BverfG nicht in Betracht kam.
Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Die Unterscheidung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern beruht auf der zulässigen typisierenden Annahme, dass die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Steuerfestsetzungen zu potentiellen Zinsvor- oder -nachteilen führen können. Auch hinsichtlich der Zinshöhe verneint der BFH einen Gleichheitsverstoß. Denn innerhalb der Gruppe der zinspflichtigen Steuerpflichtigen wird bei allen Betroffenen der gleiche Zinssatz zugrunde gelegt.
Nach dem Urteil des BFH ist die Zinshöhe auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig. Da mit den Nachzahlungszinsen potentielle Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen, hält der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen für erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 % bewegten. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter 1 % gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat.
BFH, Urteil vom 9.11.2017, III R 10/16, veröffentlicht am 28.2.2018.