17.06.2011

Verkäufer müssen Kosten für Aus- und Einbau bei Ersatzlieferung für ein mangelhaftes Verbrauchsgut tragen

Im Fall einer Ersatzlieferung für ein mangelhaftes Verbrauchsgut muss der Verkäufer das Gut aus der Sache ausbauen, in die es vom Verbraucher gutgläubig eingebaut wurde, und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einbauen oder die für diese Vorgänge notwendigen Kosten tragen. Die Kostenerstattung kann jedoch auf einen Betrag beschränkt werden, der verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit verhältnismäßig ist.

EuGH 16.6.2011, C-65/09 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ C-65/09 +++
Der Kläger und die beklagte GmbH schlossen einen Kaufvertrag über polierte Bodenfliesen zum Preis von 1.382 €. Nachdem der Kläger rund zwei Drittel der Fliesen in seinem Haus hatte verlegen lassen, stellte er auf der Oberfläche Schattierungen fest, die mit bloßem Auge zu erkennen waren. Der hinzugezogene Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Schattierungen um feine Mikroschleifspuren handele, die nicht beseitigt werden könnten, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich sei. Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige mit 5.830 €.

+++ C-87/09 +++
Die Klägerin und die beklagte Elektronik-Firma schlossen über das Internet einen Kaufvertrag über eine neue Spülmaschine zum Preis von 367. Die Parteien vereinbarten eine Lieferung bis vor die Haustür der Klägerin. Die Lieferung der Spülmaschine und die Kaufpreiszahlung erfolgten vereinbarungsgemäß. Nachdem die Klägerin die Spülmaschine bei sich in der Wohnung hatte montieren lassen, stellte sich heraus, dass die Maschine einen nicht zu beseitigenden Mangel aufwies, der nicht durch die Montage entstanden sein konnte. Die Parteien einigten sich daher auf den Austausch der Spülmaschine. In diesem Rahmen verlangte die Klägerin von der Beklagten, dass sie nicht nur die neue Spülmaschine anliefert, sondern auch die mangelhafte Maschine ausbaut und die Ersatzmaschine einbaut, oder dass sie die Aus- und Einbaukosten trägt. Die Beklagte lehnte dies ab.

Die mit den Verfahren befassten deutschen Gerichte fragen den EuGH, ob das Unionsrecht den Verkäufer verpflichtet, den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen. Die Gerichte betonen in diesem Zusammenhang, dass nach deutschem Recht der Verkäufer, den kein Verschulden treffe, nicht zur Vornahme dieser Handlungen oder zur Übernahme der entsprechenden Kosten verpflichtet sei.

Die Gründe:
Der Unionsgesetzgeber wollte die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des für den Verbraucher gewährleisteten Schutzes machen. Diese Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Der Umstand, dass dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auferlegt werden, führt nicht zu einem ungerechten Ergebnis.

Selbst wenn den Verkäufer hinsichtlich der Vertragswidrigkeit kein Verschulden trifft, hat dieser doch aufgrund der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß erfüllt und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen. Der Umstand, dass der Verbraucher im Vertrauen auf die Vertragsmäßigkeit des gelieferten Verbrauchsguts das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig eingebaut hat, kann dagegen kein Verschulden darstellen, das ihm zur Last gelegt werden könnte. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Übernahme der Aus- und Einbaukosten besteht i.Ü. unabhängig davon, ob der Verkäufer nach dem Kaufvertrag zum Einbau des gelieferten Verbrauchsguts verpflichtet war.

Die Richtlinie schließt zudem aus, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu verweigern, weil sie ihm Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unverhältnismäßig wären. Die Richtlinie sieht nämlich vor, dass der Verbraucher Anspruch auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung hat, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Eine Abhilfe gilt nach der Richtlinie als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären. Erweist sich nur eine dieser beiden Abhilfen als möglich, kann der Verkäufer die einzige Abhilfe, durch die sich der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts herstellen lässt, somit nicht verweigern.

In einer Situation, in der die Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu unverhältnismäßigen Kosten führen würde, schließt die Richtlinie aber nicht aus, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist. Dies darf aber nicht zur Folge haben, dass das Recht des Verbrauchers auf Erstattung dieser Kosten in der Praxis ausgehöhlt wird. Zudem ist dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der genannten Kosten die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des EuGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 59 vom 16.6.2011
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