19.04.2011

Verkehrsbetriebe sind nicht zu Sicherungsmaßnahmen gegen Steinewerfer verpflichtet

Die Tatsache, dass Störer von einer Bahntrasse aus dortige Schottersteine auf benachbarte Grundstücke werfen, begründet für die Trasse betreibende Verkehrsbetriebe nicht die Pflicht, sämtliche Gleise in einem festen Belag auszuführen oder nach außen durch Zaunanlagen zu sichern. Nicht jeder abstrakten Gefahr muss durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden.

OLG Karlsruhe 8.4.2011, 12 U 24/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mieterin eines Grundstücks, über das sich eine Brücke spannt, auf der Straßenbahngleise in Schotter verlegt sind. Sie verlangt von der beklagten Straßenbahnunternehmerin, den Verkehrsbetrieben, Sicherungsmaßnahmen gegen Steinewerfer. Sie hat behauptet, es komme seit Anfang 2009 verstärkt zu Beschädigungen an den Gebäuden und den abgestellten Kfz auf dem von ihr gemieteten Grundstück. Zurückzuführen seien diese Schäden auf Würfe mit Schottersteinen, die von der Brücke aus ausgeführt würden.

Die Gleise sind von dem daneben liegenden, ebenfalls über die Brücke führenden Rad- und Gehweg durch ein Geländer mit zwei Querstreben abgetrennt. Die Beklagte ist Trägerin der Straßenbaulast hinsichtlich der Gleisanlage auf der Brücke. Die Beklagte hat die Steinwürfe und die Beschädigungen bestritten. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Gleisbett durch geeignete Maßnahmen in einen Zustand zu versetzen, der verhindert, dass von der Brücke Schottersteine aus dem Gleisbett auf das darunterliegende Grundstück geworfen werden können.

Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen erhobene Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Schutzmaßnahmen verlangen, weil diese weder als Handlungs- noch als Zustandsstörer angesehen werden kann.

Die Klägerin behauptet nicht, dass die Steinwürfe von den Organen der Straßenbahnunternehmerin oder ihren Gehilfen ausgingen. Die Beklagte ist auch nicht mittelbare Handlungsstörerin. Sie hat zwar für unbekannte Dritte die Möglichkeit geschaffen, auf die von ihr verlegten Schottersteine zuzugreifen und diese zu Straftaten zu verwenden. Das genügt für die Inanspruchnahme als Handlungsstörer jedoch nicht. Die setzt voraus, dass die Beklagte über die Rechtsmacht verfügte, durch Einwirkung auf den Störer, den Steinewerfer, weitere Beeinträchtigungen zu verhindern. Eine solche Rechtsmacht hat die Beklagte jedoch nicht.

Auch als Zustandsstörer kann sie nicht in Anspruch genommen werden. Der Umstand allein, dass von einem Grundstück oder Bauwerk eine Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück ausgeht, macht den Eigentümer des beeinträchtigenden Anwesens noch nicht zum Störer. Die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen sein. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Schuldner das Grundstück wissentlich unter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in einem gefährdenden Zustand belässt. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Nicht jeder abstrakten Gefahr muss durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist.

Danach können von der Beklagten zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht verlangt werden. Es entspricht allgemeinem Standard, dass Eisenbahn- und teilweise auch Straßenbahngleise in einem Schotterbett verlegt werden, das seitlich nicht durch Zäune oder andere Schutzeinrichtungen abgegrenzt ist. Es würde eine Überforderung der ein Eisenbahn- oder Straßenbahnnetz unterhaltenden Unternehmer darstellen, würde man von ihnen verlangen, sämtliche Gleise in einem festen Belag auszuführen oder nach außen durch Zaunanlagen zu sichern. Das gilt auch für den Fall, dass -  wie hier - die Gleise über eine Brücke geführt werden, die auch für den Fußgängerverkehr geöffnet ist.

OLG Karlsruhe, PM vom 15.4.2011
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