Verkehrsunfall: Keine analoge Anwendung von § 4 HaftPflG im Rahmen von § 831 BGB
BGH 11.6.2013, VI ZR 150/12Der Kläger verlangte von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall im Januar 2007. Eine Straßenbahn der Beklagten zu 1), die vom Beklagten zu 2) gefahren wurde, stieß gegen einen zum Betriebsvermögen des Klägers gehörenden und von der Drittwiderbeklagten gefahrenen Pkw. Dieser hatte sich im Bereich der auf der Straße verlegten Schienen zum Linksabbiegen eingeordnet und war dort verkehrsbedingt zum Stehen gekommen.
Das AG verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner dazu, an den Kläger rund 2.889 € (zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens) nebst Verzugszinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen. Die Beklagte zu 1) verpflichtete es darüber hinaus, an den Kläger weitere 1.444 € nebst Verzugszinsen und weitere Anwaltskosten zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert, soweit die Beklagte zu 1) verurteilt worden war, dem Kläger mehr als zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens zu ersetzen.
Das LG war der Ansicht, ein darüber hinausgehender Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB auf Zahlung weiterer 1.444 € bestehe nicht, weil auch dieser Anspruch um den Haftungsanteil des Klägers von einem Drittel zu kürzen sei. Zwar treffe den Kläger selbst kein Mitverschulden. Jedoch sei dem Kläger das Mitverschulden der Drittwiderbeklagten in analoger Anwendung des § 4 HPflG zuzurechnen.
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Soweit das Berufungsgericht dem Kläger den vom AG zuerkannten weitergehenden Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) im Umfang von mehr als zwei Dritteln des ihm unstreitig entstandenen Schadens aberkannt hatte, hielt dies einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Zwar wandte sich der Kläger mit Recht gegen die Annahme des LG, eine über den Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG hinausgehende Haftung der Beklagten zu 1) gem. § 831 Abs. 1 BGB scheide deshalb aus, weil der Kläger sich in entsprechender Anwendung von § 4 Hs. 2 HPflG ein Mitverschulden der Drittwiderbeklagten anrechnen lassen müsse, die als Fahrerin die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübte. § 4 HPflG gilt auf Grund seiner systematischen Stellung im Haftpflichtgesetz ausschließlich für die in diesem Spezialgesetz geregelten Haftpflichttatbestände. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes gilt die Norm bei Ansprüchen aus § 831 Abs. 1 BGB nicht entsprechend.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) aus § 831 Abs. 1 BGB kein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.444 € zustehe, erwies sich aber aus anderen Gründen als richtig. Zwar traf es zu, dass der Kläger selbst keinen Fehler bei der Bedienung seines Kfz gemacht hatte, den er sich nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen müsste. Allerdings kann sich nach ständiger BGH-Rechtsprechung die Betriebsgefahr eines Kfz in erweiternder Auslegung des § 254 BGB anspruchsmindernd auswirken, wenn sich der Geschädigte die Betriebsgefahr seines Kfz dem Schädiger gegenüber zurechnen lassen muss.
Das ist der Fall, wenn der Geschädigte - wie im Streitfall der Kläger - zugleich als Halter des beschädigten Kfz dem Schädiger gegenüber aus § 7 Abs. 1 StVG haftet. In einem solchen Fall ist im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der Halter entgegenhalten lassen muss, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach § 823 Abs. 1 BGB verlangt, als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender Umstand auch das für den Unfall mitursächliche haftungsrelevante Verhalten des Fahrers selbst dann zu berücksichtigen, wenn der Fahrzeughalter für dessen Verhalten nicht nach § 831 BGB einzutreten braucht. Darin zeigt sich, dass bei der hier vorliegenden Konstellation, bei der der geschädigte Eigentümer zugleich Halter des Kfz ist, bereits keine Regelungslücke vorlag.
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