24.08.2017

Verluste aus der Veräußerung einer fondsgebundenen Lebensversicherung

Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Sie gilt auch hinsichtlich von Verlusten aus der Veräußerung einer Lebensversicherung.

Kurzbesprechung
BFH v. 14.3. 2017 - VIII R 38/15

EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6

Im Streitfall war der Ehemann war Versicherungsnehmer einer vom 1.9. 1999 bis zum 1.9. 2011 laufenden fondsgebundenen Lebensversicherung. Versicherte Person war seine Ehefrau. Im Erlebensfall sollte das Deckungskapital, d.h. der Wert der gutgeschriebenen Fondsanteile, fällig werden, wodurch sich zum Zeitpunkt des Ablaufs der Versicherung ein Verlust abzeichnete.

 Am 1.3.2009 verkaufte der Ehemann seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Ehefrau zu einem Kaufpreis, der dem Wert des Deckungskapitals der Versicherung zum 28.2.2009 entsprach. Hieraus ergab sich aus der Differenz zu den geleisteten Einzahlungen ein Verlust, den der Ehemann als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG geltend machte. Das FA versagte die Verlustberücksichtigung dagegen unter Hinweis auf § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch).

Der BFH gab dem Steuerpflichtigen jedoch im Revisionsverfahren Recht und entschied zunächst, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG auch auf die Veräußerung der Ansprüche aus vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen Alt-Verträgen Anwendung findet, sofern bei einem Rückkauf zum Veräußerungszeitpunkt die Erträge nach § 20 Absatz 1 Nr. 6 in der am 31.12. 2004 geltenden Fassung steuerpflichtig wären.

Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt. Denn ein Rückkauf der fondsgebundenen Lebensversicherung des Ehemannes zum Veräußerungszeitpunkt im Jahr 2009 wäre nach der bis zum 31.12. 2004 geltenden Rechtslage steuerpflichtig gewesen, eine Steuerbefreiung wäre nach der seinerzeit maßgebenden Gesetzeslage nur in Betracht gekommen, wenn der Verkauf nicht bereits im Jahr 2009, sondern erst nach Ablauf der Mindestlaufzeit von zwölf Jahren nach Vertragsschluss stattgefunden hätte.

Im Streitfall war weiterhin auch die steuerliche Anerkennung dieses Verlusts nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht zu versagen. Denn die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen bedingen eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Denn mit der Abgeltungsteuer sollten in § 20 EStG umfassend alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen erfasst werden, insbesondere auch realisierte Wertsteigerungen des Kapitalstamms (§ 20 Abs. 2 EStG). Hinzu kommen die Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG und die Verlustabzugsbeschränkungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG. Zudem entscheiden Währungspolitik und Aktienkurs über den Ertrag aus Zinsen und Dividenden.

Im Streitfall fehlten relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Ehemannes. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich um den Verkauf eines Alt-Vertrages handelt, bei dem die Zwölf-Jahresfrist nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. vor Einführung des Alterseinkünftegesetzes noch nicht abgelaufen war und deshalb ein Rückkauf zu steuerpflichtigen Zinsen aus den Sparanteilen geführt hätte. Ein Verkauf war dagegen erst nach dem 31.12.2008 mit Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG in Form des Unterschiedsbetrags zwischen Einnahmen und Anschaffungskosten/entrichteten Beiträgen steuerbar.

Dass der Ehemann mit dem Verkauf seinen sich zum Zeitpunkt des Ablaufs der Versicherung absehbaren Verlust minimieren wollte, rechtfertigt nach Auffassung des BFH ebenso wenig die Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht wie das bloße Vorliegen eines Verlusts. Denn § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG regelt auch den Verlustfall. Dabei liegt es gerade in der wirtschaftlichen Typik der Einkünfte aus Kapitalvermögen, dass der Anleger auf eine negative Entwicklung einer Anlage nur dadurch reagieren kann, dass er sie durch eine andere austauscht, d.h. sich von ihr trennt. Die Veräußerung im Streitfall erfolgte nicht unter Umständen, die eine Widerlegung rechtfertigen könnten.

BFH, Beschluss vom 14.3.2017 - VIII R 38/15, veröffentlicht am 23.8.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt