Verluste aus der Veräußerung von unentgeltlich erworbenen Kapitalgesellschaftsanteilen
KurzbesprechungEStG § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4, Abs. 2 Sätze 5 und 6 Buchst. a
AO § 42
Streitig war, ob die Übertragung von GmbH - Anteilen zwischen Freunden als entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung zu werten war.
Das FG hatte seine Entscheidung, wonach eine unentgeltliche Übertragung nicht nur vereinbart gewesen sei, sondern auch wirtschaftlich vorgelegen habe, maßgeblich auf den Umstand gestützt, dass den Steuerpflichtigen und Übertragenden eine langjährige, aus der Nachbarschaft erwachsene Freundschaft verbinde. Diese Auffassung teilt der BFH jedoch nicht.
Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt. Entgeltlich ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, wenn ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Das Gegenstück zur entgeltlichen Veräußerung ist die unentgeltliche Übertragung von Anteilen (§ 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Sätze 5 und 6 Buchst. a EStG), die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Übertragende dem Empfänger eine freigiebige Zuwendung machen will. Letzteres ist bei Verträgen unter fremden Dritten im Allgemeinen nicht anzunehmen, sofern nicht Anhaltspunkte für eine Schenkungsabsicht des übertragenden Vertragspartners bestehen. Deshalb spricht insoweit eine (widerlegbare) Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts.
Bei einander nahestehenden Personen wird demgegenüber der Nachweis der Unentgeltlichkeit erleichtert; denn bei ihnen kann nicht unterstellt werden, dass sie Leistung und Gegenleistung im Regelfall nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt haben. Was unter "einander nahestehenden Personen" zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Maßgebend ist, ob unter Berücksichtigung der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann.
Im Streitfall hatte das FG das Verhältnis zwischen Freunden ohne weitere Feststellungen mit demjenigen von Verwandten gleichgesetzt und daraus abgeleitet, dass die Vermutung für das Vorliegen einer entgeltlichen Übertragung nicht anwendbar sei. Eine derartige Auslegung verkennt jedoch die Reichweite dieses Erfahrungssatzes. Zwar kann ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis ausnahmsweise im Einzelfall auch bei nicht verwandtschaftlich verbundenen Personen gegeben sein. In einem solchen Fall bedarf es aber weiterer besonderer, objektiver Anhaltspunkte, aus denen auf die Entkräftung der Vermutung einer entgeltlichen Übertragung geschlossen werden kann. Solche Umstände hatte das FG im Streitfall jedoch nicht festgestellt.
Aufgrund der vorliegenden atypischen Umstände ist der für Zwecke der Besteuerung insoweit allein maßgebende wirtschaftliche Gehalt des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts ohne Bindung an eine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung des notariell beurkundeten "Vertrags über die Schenkung und Übertragung" zu prüfen. Denn diese rein formale Vermutung war im Streitfall aufgrund der behaupteten außergewöhnlichen Sachverhaltsgestaltung widerlegt. Dass den Zuwendenden und den Steuerpflichtigen eine langjährige, aus der Nachbarschaft erwachsene Freundschaft verbindet, stellt alleine keinen nachvollziehbaren Grund dafür dar, dass eine unentgeltliche Übertragung stattgefunden haben soll.
BFH, Urteil vom 9.5.2017, IX R 1/16, veröffentlicht am 08.11.2017.