Verrechnung von Altverlusten aus Kapitalvermögen mit abgeltend besteuerten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege der Günstigerprüfung
KurzbesprechungEStG § 32d Abs. 6, Abs. 4, § 20 Abs. 6, § 23 Abs. 3 Satz 9, 10, § 10d, § 52a Abs. 10 Satz 10, § 52a Abs. 11 Satz 11
GG Art. 3 Abs. 1
Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine allgemeine Berechtigung zur Verrechnung von Verlusten aus tariflich besteuerten Einkünften und positiven Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - nach § 10d EStG festgestellte Altverluste aus Kapitalvermögen vorliegen. Denn auch in diesem Fall ist erforderlich, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S. des § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie fallen dann nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Altverlusten aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Im Streitfall schied daher eine direkte Verrechnung der gemäß §10d EStG festgestellten Altverluste mit den im Streitjahr erzielten und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen innerhalb der Schedule aus.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es sich im Streitfall bei den auf den 31.12. 2008 festgestellten Verlusten ursprünglich um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelte. Zum einen erfolgt die Feststellung des Verlustvortrags auf den 31.12. 2008 gemäß § 10d EStG nicht spezifisch nach Einkunftsarten. Die Altverluste haben damit ihre Eigenschaft als Kapitaleinkünfte verloren. Zum anderen unterlagen die Altverluste im Zeitpunkt der Verlustentstehung der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG, so dass die Verrechnung mit den dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünften des Streitjahres voraussetzt, dass auch diese der tariflichen Einkommensteuer des § 32a EStG unterliegen. Dies kann nur über einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden.
Aus dem Verlustverrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG folgt auch keine direkte Verrechenbarkeit der Altverluste mit den Kapitaleinkünften innerhalb der Schedule. Abgesehen davon, dass die Vorschrift auf Altverluste, die vor dem 1.1. 2009 erzielt wurden, keine Anwendung findet (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG), setzt auch die horizontale Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG zwischen tariflich besteuerten negativen Einkünften aus Kapitalvermögen und Kapitaleinkünften, die der Abgeltungsteuer gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, einen Antrag auf Günstigerprüfung voraus.
Eine direkte Verrechnung der dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte mit den nach § 10d EStG festgestellten Altverlusten kann auch nicht aufgrund eines Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 EStG erfolgen. Der Antrag führt nur dazu, dass Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in die Veranlagung mit einbezogen werden. Dabei bleibt jedoch der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen des § 32d Abs. 1 EStG weiter anwendbar. Erforderlich für eine Verrechnung von Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit tariflich besteuerten negativen Einkünften ist jedoch, dass die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte selbst der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden. Diese Rechtsfolge kann nur durch einen Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden.
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG waren im Streitfall erfüllt, da die Verrechnung des nach § 10d EStG festgestellten und der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG unterliegenden verbleibenden Verlustvortrags mit den im Streitjahr erzielten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer niedrigeren Einkommensteuer führte, als die Summe aus tariflicher Steuer und einbehaltender Kapitalertragsteuer.
Da der Antrag auf Günstigerprüfung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum für zusammenveranlagte Ehegatten nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden kann, war im Streitfall die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG für die nach der Verlustverrechnung verbleibenden Kapitaleinkünfte ausgeschlossen. Diese gesetzliche Rechtsfolge verstößt nach Auffassung des BFH auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), sondern ist sachlich gerechtfertigt.
BFH, Urteil vom 29.8.2017, VIII R 5/15, veröffentlicht am 29.11.2017.