Verteilung eines Gestattungsentgelts für die Überlassung landwirtschaftlicher Flächen zur Durchführung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen
Kurzbesprechung
BFH v. 4.6.2019 - VI R 34/17
AO § 162
EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 3, § 11 Abs. 2 Satz 3, § 13
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, dass der Steuerpflichtige Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen kann, für den die Vorauszahlung geleistet wird. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft Ausgaben "für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren".
Bei den Einnahmen für eine Nutzungsüberlassung handelt es sich um Leistungen, die für eine Nutzung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen sowie Rechten erbracht werden. Eine solche Nutzungsüberlassung war im Streitfall in Form der Nutzungsüberlassung der Grundstücke gegeben, da der wirtschaftliche Schwerpunkt des Gestattungsvertrags auf einer Nutzungsüberlassung lag. Der Umstand, dass in dem Gestaltungsvertrag nicht die ausschließliche Nutzung der Vertragsfläche eingeräumt wurde, war unschädlich, da § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG dies auch nicht voraussetzt. Denn eine Nutzungsüberlassung i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG kann selbst dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen eines Miet- oder Pachtverhältnisses nicht erfüllt sind. Im Streitfall lag auch keine dingliche Belastung des Grundbesitzes, sondern eine Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche zur Durchführung der Kompensationsmaßnahmen vor.
Das Gestattungsentgelt beruhte auch auf der vorgenannten Nutzungsüberlassung i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG. Eine Einnahme beruht auf einer Nutzungsüberlassung, wenn sie sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung darstellt. Diese Voraussetzung erfüllte das von der Steuerpflichtigen bezogene Gestattungsentgelt. Denn es handelte sich um die Gegenleistung für die Überlassung der Vertragsfläche zur Durchführung der Kompensationsmaßnahmen. Die Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche war die vertragliche Hauptleistungspflicht, für die das Nutzungsentgelt im Wesentlichen gezahlt wurde.
Das Gestattungsentgelt wurde auch für "mehr als fünf Jahre im Voraus geleistet" (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG). § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG erfordert das Vorliegen einer Vorauszahlung. Eine solche liegt vor, soweit die Zahlung zeitlich vor der Nutzungsüberlassung zufließt, für die sie geleistet wird. Diese Voraussetzung erfüllte das Gestattungsentgelt im Streitfall in vollem Umfang, da es der Steuerpflichtigen bereits am 10.6.2013 zufloss. Die Nutzungsüberlassung begann hingegen erst im November 2014 mit der Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen.
§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG bezieht sich (nur) auf Vorauszahlungen, die einen Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren entgelten. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es zwar nicht eindeutig, ob sich der Zeitraum "von mehr als fünf Jahren im Voraus" (auch) auf den Vorauszahlungszeitraum bezieht. Dies ist nach Auffassung des BFH aber zu bejahen, da sie u.a. dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht. Außerdem trägt die Auffassung des BFH auch dem Gesetzeszweck Rechnung, nach dem aus Vereinfachungsgründen Nutzungsüberlassungen bis zu fünf Jahren von der Regelung ausgenommen sein sollten. Dieser Vereinfachungszweck ließe sich jedoch nicht erreichen, wenn -abweichend vom Zufluss-/Abflussprinzip - jede Vorauszahlung, die sich auf einen anderen Veranlagungszeitraum als den der Zahlung bezieht, zu einer Verteilung der Einnahme führen würde. Dies wäre aber der Fall, wenn sich der Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht auf den Vorauszahlungszeitraum beziehen würde.
Bei Bezug der Einnahme, deren Verteilung in Rede steht, muss ferner feststehen, dass der Vorauszahlungszeitraum für die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt. Hierfür genügt nicht schon der Abschluss eines unbefristeten, ordentlich kündbaren Vertrags über eine Nutzungsüberlassung. Das Gesetz verlangt indessen nicht, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der Vorauszahlungszeitraum anhand objektiver Umstände - und sei es auch im Wege sachgerechter Schätzung - feststellbar (bestimmbar) ist und einen Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren entgilt.
Vor diesem Hintergrund hatte das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Gestattungsentgelt für mehr als fünf Jahre im Voraus geleistet wurde, denn der Gestattungsvertrag war auf unbestimmte Zeit unter Ausschluss einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit geschlossen worden. Er findet erst mit dem vollständigen Rückbau des Kraftwerks und der vollständigen Rekultivierung der Vorhabensfläche sein Ende. Erst zu diesem Zeitpunkt enden damit sowohl der Nutzungsüberlassungs- als auch der Vorauszahlungszeitraum, der nach dem Gestattungsvertrag die gesamte Vertragslaufzeit umfasst. Bei dieser Sachlage kam der BFH zu der Überzeugung, dass der Nutzungsüberlassungszeitraum mehr als fünf Jahre beträgt. Auch war der Vorauszahlungszeitraum im Streitfall bestimmbar. Er umfasste den Zeitraum bis zum Abschluss des vollständigen Rückbaus des Kraftwerks und der Rekultivierung der Vorhabensfläche. Dieser Zeitraum ist anhand der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Kraftwerks und der für dessen Rückbau und die Rekultivierung benötigten Zeiträume zumindest im Wege sachgerechter Schätzung feststellbar.
BFH, Urteil vom 4.6.2019, VI R 34/17, veröffentlicht am 29.8.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 162
EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 3, § 11 Abs. 2 Satz 3, § 13
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, dass der Steuerpflichtige Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen kann, für den die Vorauszahlung geleistet wird. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft Ausgaben "für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren".
Bei den Einnahmen für eine Nutzungsüberlassung handelt es sich um Leistungen, die für eine Nutzung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen sowie Rechten erbracht werden. Eine solche Nutzungsüberlassung war im Streitfall in Form der Nutzungsüberlassung der Grundstücke gegeben, da der wirtschaftliche Schwerpunkt des Gestattungsvertrags auf einer Nutzungsüberlassung lag. Der Umstand, dass in dem Gestaltungsvertrag nicht die ausschließliche Nutzung der Vertragsfläche eingeräumt wurde, war unschädlich, da § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG dies auch nicht voraussetzt. Denn eine Nutzungsüberlassung i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG kann selbst dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen eines Miet- oder Pachtverhältnisses nicht erfüllt sind. Im Streitfall lag auch keine dingliche Belastung des Grundbesitzes, sondern eine Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche zur Durchführung der Kompensationsmaßnahmen vor.
Das Gestattungsentgelt beruhte auch auf der vorgenannten Nutzungsüberlassung i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG. Eine Einnahme beruht auf einer Nutzungsüberlassung, wenn sie sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung darstellt. Diese Voraussetzung erfüllte das von der Steuerpflichtigen bezogene Gestattungsentgelt. Denn es handelte sich um die Gegenleistung für die Überlassung der Vertragsfläche zur Durchführung der Kompensationsmaßnahmen. Die Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche war die vertragliche Hauptleistungspflicht, für die das Nutzungsentgelt im Wesentlichen gezahlt wurde.
Das Gestattungsentgelt wurde auch für "mehr als fünf Jahre im Voraus geleistet" (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG). § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG erfordert das Vorliegen einer Vorauszahlung. Eine solche liegt vor, soweit die Zahlung zeitlich vor der Nutzungsüberlassung zufließt, für die sie geleistet wird. Diese Voraussetzung erfüllte das Gestattungsentgelt im Streitfall in vollem Umfang, da es der Steuerpflichtigen bereits am 10.6.2013 zufloss. Die Nutzungsüberlassung begann hingegen erst im November 2014 mit der Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen.
§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG bezieht sich (nur) auf Vorauszahlungen, die einen Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren entgelten. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es zwar nicht eindeutig, ob sich der Zeitraum "von mehr als fünf Jahren im Voraus" (auch) auf den Vorauszahlungszeitraum bezieht. Dies ist nach Auffassung des BFH aber zu bejahen, da sie u.a. dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht. Außerdem trägt die Auffassung des BFH auch dem Gesetzeszweck Rechnung, nach dem aus Vereinfachungsgründen Nutzungsüberlassungen bis zu fünf Jahren von der Regelung ausgenommen sein sollten. Dieser Vereinfachungszweck ließe sich jedoch nicht erreichen, wenn -abweichend vom Zufluss-/Abflussprinzip - jede Vorauszahlung, die sich auf einen anderen Veranlagungszeitraum als den der Zahlung bezieht, zu einer Verteilung der Einnahme führen würde. Dies wäre aber der Fall, wenn sich der Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht auf den Vorauszahlungszeitraum beziehen würde.
Bei Bezug der Einnahme, deren Verteilung in Rede steht, muss ferner feststehen, dass der Vorauszahlungszeitraum für die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt. Hierfür genügt nicht schon der Abschluss eines unbefristeten, ordentlich kündbaren Vertrags über eine Nutzungsüberlassung. Das Gesetz verlangt indessen nicht, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der Vorauszahlungszeitraum anhand objektiver Umstände - und sei es auch im Wege sachgerechter Schätzung - feststellbar (bestimmbar) ist und einen Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren entgilt.
Vor diesem Hintergrund hatte das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Gestattungsentgelt für mehr als fünf Jahre im Voraus geleistet wurde, denn der Gestattungsvertrag war auf unbestimmte Zeit unter Ausschluss einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit geschlossen worden. Er findet erst mit dem vollständigen Rückbau des Kraftwerks und der vollständigen Rekultivierung der Vorhabensfläche sein Ende. Erst zu diesem Zeitpunkt enden damit sowohl der Nutzungsüberlassungs- als auch der Vorauszahlungszeitraum, der nach dem Gestattungsvertrag die gesamte Vertragslaufzeit umfasst. Bei dieser Sachlage kam der BFH zu der Überzeugung, dass der Nutzungsüberlassungszeitraum mehr als fünf Jahre beträgt. Auch war der Vorauszahlungszeitraum im Streitfall bestimmbar. Er umfasste den Zeitraum bis zum Abschluss des vollständigen Rückbaus des Kraftwerks und der Rekultivierung der Vorhabensfläche. Dieser Zeitraum ist anhand der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Kraftwerks und der für dessen Rückbau und die Rekultivierung benötigten Zeiträume zumindest im Wege sachgerechter Schätzung feststellbar.
BFH, Urteil vom 4.6.2019, VI R 34/17, veröffentlicht am 29.8.2019.