16.02.2016

Videoüberwachung: Nachbarn haben bereits bei berechtigter Befürchtung einer Bildaufzeichnung einen Unterlassungsanspruch

Sobald eine Videoüberwachung zumindest auch Bereiche erfassen kann, die für Dritte zugänglich sind, müssen die berechtigten Interessen dieser betroffenen dritten Personen berücksichtigt werden. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nämlich nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung; es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung.

AG Brandenburg 22.1.2016, 31 C 138/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die Beklagte dahingehend in Anspruch genommen, dass die von der Beklagten an den Fassaden ihrer Gebäude auf ihrem Hofgrundstück installierten Videoüberwachungskameras so einzustellen sind, dass diese Kameras ausschließlich nur das Grundstück der Beklagten (und somit nicht das klägerische Grundstück) und auch nicht die Zuwegung des Klägers über das Grundstück der Beklagten erfassen. Zudem begehrte der Kläger von der Beklagten, dass diese die weitere Überwachung seiner Person unterlässt.

Kläger und Beklagte sind Eigentümer zweier benachbarter - mit jeweils einem Haus bebauter - Grundstücke. Der  Kläger ist zudem aufgrund einer eingetragenen Grunddienstbarkeit berechtigt über den Hof des Grundstücks der Beklagten und durch eine Tür zwischen den beiden Nachbargrundstücken auf sein eigenes Grundstück zu gelangen. Dieses Zuwege-Recht über das Grundstück der Beklagten nimmt der Kläger auch wahr.

Die Beklagte hatte im März 2014 an der Wand ihres Hinterhauses zwei Videokameras installiert und zudem an ihrer Doppelgarage auf dem Hof eine Videokamera angebracht. Die Kameras befinden sich in Höhe von ca. 3,60 bis 4,20 Meter. Sie haben zwar ein leichtgängiges Kugelgelenk, jedoch besitzen sie keinen Motor, so dass das Aufzeichnungsfeld nur unter Zuhilfenahme einer Leiter oder mit Hilfe einer Stange per Hand veränderbar ist. Eine solche Veränderung des Aufzeichnungsfeldes könnte jederzeit ohne Schwierigkeiten erfolgen. Diese drei Kameras erfassten zum Zeitpunkt der richterlichen Inaugenscheinnahme nur den Hof des Grundstücks der Beklagten und nicht den Bereich der Zuwegung, der auch vom Kläger genutzt wird.

Das AG gab der Klage weitestgehend statt.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch dahingehend zu, dass diese es zu unterlassen hat, dass auf ihrem Grundstück Kameras derart eingestellt und betrieben werden, dass das Hausgrundstück des Klägers sowie der vom Kläger und seiner Familie und seinen Besuchern genutzten Zugangsweg auf dem Grundstück der Beklagten vom Aufnahmebereich dieser Kameras erfasst werden können (Art. 1 Abs. 1 u. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 823 Abs. 1 u. 1004 Abs. 1 BGB unter Beachtung von §§ 6 u. 6b Bundesdatenschutzgesetz und § 201a StGB), so dass die von der Beklagten installierte Videoüberwachungsanlage auf Antrag der Klägerseite nunmehr so einzustellen ist, dass diese Anlage ausschließlich nur noch die Grundstücksbereiche des Hofgrundstücks der Beklagten jedoch ohne Bereich des Zugangswegs des Klägers erfassen kann.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt jedermann vor technisch gestützter Beobachtung und Aufzeichnung ohne seine Einwilligung. Das durch die Überwachung mittels optischer Geräte (Kamera/Video) gewonnene Bildmaterial  könnte nämlich dazu genutzt werden, "belastende" Maßnahmen  gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte Verhaltensweisen zeigen. Hierdurch kann eine Vielzahl von Informationen über die Betroffenen, ihre Familienmitglieder, Freunde, Besucher etc. gewonnen werden, die sich im Extremfall zu Profilen des Verhaltens der betroffenen Personen in dem überwachten - zudem ggf. der Privat und Intimsphäre unterliegenden - Raum verdichten lassen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nämlich nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung. Es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung.

Der zudem vom Kläger begehrte Anspruch, dass die Beklagte auch noch die weitere Überwachung seiner Person unterlässt, ist jedoch (derzeitig) nicht begründet und somit abzuweisen. Auch eine Videoüberwachung, die sich auf den eigenen privaten Bereich der überwachenden Person beschränkt, der nur für diese selbst und ggf. für ihre Familienangehörigen zugänglich ist, ist ohne weiteres zulässig.

AG Brandenburg