05.07.2018

Voraussetzungen des Antrags auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens

Die erforderliche berufliche Tätigkeit "für" eine Kapitalgesellschaft setzt nach der bis Ende des Veranlagungszeitraums 2016 geltenden Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG nicht voraus, dass der Gesellschafter unmittelbar für diejenige Kapitalgesellschaft tätig wird, für deren Kapitalerträge er den Antrag stellt.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.3. 2018 - VIII R 1/15

EStG § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b

Der Steuerpflichtige war als Geschäftsführer der H-GmbH tätig. Diese Gesellschaft war eine Tochtergesellschaft der B-GmbH. Zwischen der B-GmbH als Organträgerin und der H-GmbH bestand im Streitjahr eine ertragsteuerliche Organschaft. An der B-GmbH war der Steuerpflichtige zu 5,75 % beteiligt. Nach seinen Vereinbarungen mit weiteren Gesellschaftern der B-GmbH erwarb er in den Jahren 2006 und 2007 drei Anteile an der B-GmbH mit unterschiedlichen Nominalbeträgen (4.250 €, 1.050 € und 450 €). Die Kaufpreise der Anteile entsprachen den Nominalbeträgen. Ferner übernahm er aufgrund einer Rahmenvereinbarung der Gesellschafter der B GmbH neben einem Finanzinvestor und dessen Co-Investor sowie anderen natürlichen Personen als sog. "Management Investor" die Verpflichtung, zur Kapitalausstattung der B-GmbH Einzahlungen in deren Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 224.250 € zu leisten.

Die Kaufpreise der Anteile an der B-GmbH und die Einzahlungen in die Kapitalrücklage finanzierte der Steuerpflichtige durch ein Darlehen in Höhe von 230.000 €. Die in diesem Zusammenhang angefallenen Schuldzinsen und Gebühren beantragte er in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr in Zeile 24 der Anlage KAP unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 (EStG zu 60 % als Verlust bei den tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln. Von seinen sonstigen Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen hatten, begehrte er den Abzug des Sparer-Pauschbetrages in Höhe von 801 €.

Das FA ließ den begehrten Werbungskostenabzug unberücksichtigt, da der Steuerpflichtige als Arbeitnehmer nur für die H-GmbH tätig geworden sei, eine berufliche Tätigkeit für eine Tochtergesellschaft der B-GmbH jedoch nicht ausreichend sei.

Nach erhobener Klage hatte der Steuerpflichtige sowohl im Klage - als auch im nachfolgenden Revisionsverfahren Erfolg. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG und § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG gelten § 32d Abs. 1, § 20 Abs. 6 und das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1  2. Halbsatz EStG auf Antrag nicht für Kapitalerträge aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG), wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.

Denn der Steuerpflichtige war in seiner Funktion als Geschäftsführer der H-GmbH nach den Umständen des Streitfalls (auch) "für" die B GmbH beruflich tätig. Zwar genügte seine Tätigkeit für die H-GmbH noch nicht aufgrund des Merkmals "mittelbar" in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG den Anforderungen an eine Tätigkeit (auch) "für" die B-GmbH. Das Merkmal "mittelbar" hat nur für die Ermittlung der Höhe der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft Bedeutung. Eine unmittelbare Beteiligung und eine zusätzliche mittelbare Beteiligung an dieser Kapitalgesellschaft sind für die Ermittlung der Beteiligungsgrenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG zusammenzurechnen.

Jedoch erfasst § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG mit dem Merkmal "für diese" nicht nur berufliche Tätigkeiten, die auf einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen dem Gesellschafter und derjenigen Kapitalgesellschaft beruhen, an der die unmittelbare Beteiligung besteht und von der Kapitalerträge bezogen werden, für die ein Antrag gestellt werden soll.). "Für" eine Kapitalgesellschaft können auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die auf Ebene einer Tochtergesellschaft entfaltet werden, wenn diese Tätigkeit aufgrund besonderer Umstände in einem engen Zusammenhang zur Beteiligung an der Muttergesellschaft steht.

Denn es wird nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG vom Gesetz nicht verlangt, dass eine berufliche Tätigkeit "für" diejenige Kapitalgesellschaft, aus der die Kapitalerträge erzielt werden, auf Grundlage einer vertraglichen Beziehung zu eben dieser Kapitalgesellschaft ausgeübt werden muss. Es mag somit zwar dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers entsprochen haben, § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG erfasse typischerweise den Fall, dass die berufliche Tätigkeit auf Grundlage einer vertraglichen Beziehung für diejenige Kapitalgesellschaft entfaltet wird, an der eine unmittelbare Beteiligung besteht. Der Gesetzesbegründung lässt sich aber weder dies hinreichend deutlich entnehmen, noch dass der Gesetzgeber andere Sachverhaltsgestaltungen aus dem Anwen-dungsbereich der Regelung ausschließen wollte.

Der BFH leitet für die Auslegung des Merkmals "für diese" aus dem Normzweck der Vorschrift ab, dass bei besonderen Umständen auch Tätigkeiten auf Ebene einer anderen Kapitalgesellschaft als berufliche Tätigkeit für diejenige Kapitalgesellschaft zu qualifizieren sein können, für deren Kapitalerträge der Antrag gestellt wird. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG soll für Gesellschafter, die sich "unternehmerisch" beteiligen, eine Überbesteuerung vermeiden, die ansonsten durch die Anwendung des Abzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG für Refinanzierungskosten des Beteiligungserwerbs eintreten kann. Angesichts dieser vom Gesetzgeber selbst gesehenen Notwendigkeit besteht aus Sicht des BFH gerade kein Bedürfnis für eine enge und typisierende Auslegung der Vorschrift.

Im Streitfall hatte das FG im Ergebnis zu Recht einen engen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf Ebene der H-GmbH und dessen Beteiligung an der Organträgergesellschaft B-GmbH angenommen und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auch als Tätigkeit "für" die B GmbH gewürdigt. Denn er war in seiner Funktion als Geschäftsführer der Organtochter H-GmbH für die Umsetzung der ihm aufgrund des Beherrschungsvertrags erteilten Weisungen der Organträgerin B-GmbH verantwortlich gewesen. Seine Tätigkeit auf Ebene der H-GmbH lag im besonderen wirtschaftlichen Interesse der Organträgerin B-GmbH, die als reine Holding tätig war und Einkünfte nur aus den Gewinnabführungen oder Ausschüttungen ihrer operativ tätigen Tochtergesellschaften erzielte. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen bei der H-GmbH wirkte sich direkt auf das Ergebnis der B-GmbH aus. Wegen dieser besonderen Umstände, insbesondere wegen des Beherrschungsvertrags innerhalb der Organschaft, bestand ein enger Zusammenhang zwischen der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der B-GmbH und seiner Tätigkeit auf Ebene der H-GmbH. Aus diesem Zusammenhang durfte das FG rechtlich die Schlussfolgerung ziehen, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen bei der H-GmbH sei auch als Tätigkeit "für" die B GmbH zu würdigen.

Außerdem war die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der B-GmbH ihrer Art nach auch als "unternehmerische" Beteiligung i.S. der Gesetzesbegründung einzuordnen, die unter § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG fällt. Denn der Steuerpflichtige hatte sich im Streitfall neben Finanzinvestoren als sog. "Management Investor" an der B-GmbH zu mehr als 1 % beteiligt und hatte die B-GmbH mit Einzahlungen in die Kapitalrücklage in Höhe von 224.250 € ausgestattet, damit diese Beteiligungen an den operativ tätigen Gesellschaften der Unternehmensgruppe erwerben konnte. Er war zugleich als Geschäftsführer der operativen Organgesellschaft H-GmbH für deren Ergebnis und für das Ergebnis der Unternehmensgruppe mitverantwortlich. Diese Umstände grenzen die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der B-GmbH von einer zum Zweck der Vermögensanlage erworbenen Beteiligung ab.

BFH, Urteil vom 27.3.2018, VIII R 1/15, veröffentlicht am 4.7.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt