Voraussetzungen für die winterlichen Räum- und Streupflichten
BGH 14.2.2017, VI ZR 254/16Die Klägerin hatte als Arbeitgeberin aus übergegangenem Recht der hier verunglückten Arbeitnehmerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalles in Anspruch genommen. Sie war der Ansicht, die Geschädigte sei am Ende Januar 2013 gegen 7.20 Uhr auf dem Gehweg des innerstädtisch gelegenen Hausgrundstücks der Beklagten im Oberbergischen Kreis auf einer weder geräumten noch gestreuten Glatteisfläche gestürzt und habe sich eine Fraktur des linken Handgelenks zugezogen. Während der unfallbedingten Krankenzeit hatte die Klägerin der Geschädigten Entgeltfortzahlung geleistet.
Das AG wies die Klage ab; das LG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.
Gründe:
Es lag keine Verletzung der Räum- und Streupflicht vor.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einer allgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen. Auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten war lediglich eine einzige Glatteisfläche von ca. 1 x 1 m Größe vorhanden, die sich allerdings fast über die gesamte Breite des Bürgersteigs erstreckte. Ansonsten war der Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten trocken und geräumt. Insofern lag aufgrund der Witterungsverhältnisse weder eine allgemeine Glätte noch sonst erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr durch Glättebildung vor. Die Beklagten waren nicht gehalten, den Bürgersteig beim morgendlichen Ausführen des Hundes eingehender zu überprüfen als ein Passant.
Etwas anderes ergab sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt. Zwar war das Erfordernis einer "allgemeinen Glätte" in der entsprechenden Vorschrift nicht ausdrücklich genannt. Daraus ließ sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Satzung der Stadt die Verkehrssicherungspflichten der Anlieger über die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB hinaus erweitern wollte. Denn eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen. Es war deshalb davon auszugehen, dass die Stadt in ihrer Satzung die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten der Anlieger bei Schnee- und Eisglätte auf Grundlage der bestehenden Gesetzes- und Rechtslage lediglich konkretisieren, jedoch nicht erweitern wollte.
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