19.09.2019

Vorbehaltsnießbrauch bei unentgeltlicher Übertragung eines verpachteten land- und fortwirtschaftlichen Betriebs

Bei den Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft hat die Bestellung eines Nießbrauchs zur Folge, dass zwei Betriebe entstehen, nämlich ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (des Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers. Die Rechtsprechung zur unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt gilt auch für die Übertragung eines Verpachtungsbetriebs. Zahlungen für die Entlassung des Grundbesitzes aus der Pfandhaft eines zum Betriebsvermögen gehörenden Nießbrauchsrechts sind betrieblich veranlasst und erhöhen ihrerseits das Betriebsvermögen.

Kurzbesprechung
BFH v.8.5. 2019 - VI R 26/17

EStG § 6 Abs. 3 Satz 1, § 13

Im Streitfall war der Ehemann der Steuerpflichtigen Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Es handelte sich um einen Hof i.S. der Höfeordnung. Der zum Betrieb gehörende Grundbesitz war an fremde Dritte verpachtet. Aus der Verpachtung erzielte der Ehemann Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

In 2002 übertrug der Ehemann den Hof an seinen Sohn und behielt sich auf seine Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an dem überlassenen Grundbesitz vor. Darüber hinaus behielt er sich für die Steuerpflichtige ein durch seinen Tod aufschiebend bedingtes unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem überlassenen Grundbesitz vor, das der Sohn der Steuerpflichtigen in dem Hof-Überlassungsvertrag einräumte.

Der Ehemann erhielt aufgrund des Nießbrauchs auch nach Abschluss des Hof-Überlassungsvertrags die Pachteinnahmen, die er weiterhin als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft versteuerte. Er verstarb im Jahr 2006. Mit seinem Tod stand der Steuerpflichtigen das ihr in dem Hof-Überlassungsvertrag eingeräumte Nießbrauchsrecht vollen Inhalts zu. Auch sie erklärte als Nießbrauchsberechtigte aus der Verpachtung Einkünfte aus § 13 EStG, die sie durch Betriebsvermögensvergleich für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr ermittelte.

Im Dezember 2008 veräußerte der Sohn die Hofstelle sowie einen Teil des Grund und Bodens mit Wirkung zum 1.7. 2009 an einen Dritten. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass sich der Erwerber mit der Steuerpflichtigen über die Entlassung des verkauften Grundbesitzes aus der Pfandhaft für ihr Nießbrauchsrecht einigte. Außerdem vereinbarten der Erwerber und die Steuerpflichtige, dass diese den erworbenen Grundbesitz gegen Zahlung eines im Wirtschaftsjahr 2009/2010 fälligen Betrags aus der Pfandhaft entließ.

Die Steuerpflichtige erfasste die vom Erwerber geleistete Zahlung in ihrer Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 nicht als Betriebseinnahme. Sie vertrat die Auffassung, es handele sich um ein privates Veräußerungsgeschäft, das nicht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führe. Das FA vertrat dagegen die Auffassung, der Gewinn der Steuerpflichtigen sei um die im Wirtschaftsjahr 2009/2010 vereinnahmte Zahlung des Erwerbers zu erhöhen und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre (2009 und 2010).

Nach erfolglosem Klageverfahren wies auch der BFH die von der Steuerpflichtigen eingelegte Revision ab. Die unentgeltliche Übertragung des ruhenden Verpachtungsbetriebs auf den Sohn unter Vorbehalt des Nießbrauchs führte beim Ehemann nicht zu einer Betriebsaufgabe.

Der BFH stellte zunächst heraus, dass in 2006 eine unentgeltliche Betriebsübertragung auf den Sohn stattgefunden hatte, da weder der Ehemann noch der Sohn die Aufgabe des Verpachtungsbetriebs erklärt hatten.

Mit dem Tod des Steuerpflichtigen erlosch der Nießbrauch gemäß § 1061 Satz 1 BGB. Gleichzeitig erstarkte aber der aufschiebend bedingte Nießbrauch der Steuerpflichtigen, den sich der Ehemann in dem Hof-Überlassungsvertrag ebenfalls vorbehalten und der Steuerpflichtigen unentgeltlich zugewandt hatte, zum Vollrecht.

Zum (notwendigen) Betriebsvermögen des hiernach (fortbestehenden) land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs der Steuerpflichtigen gehörte insbesondere der ihr von ihrem Ehemann zugewandte Nießbrauch. Denn die Steuerpflichtige konnte den auf sie unentgeltlich übergegangenen Verpachtungsbetrieb nur aufgrund des ihr zugewandten Nießbrauchs betreiben. Jedoch konnte sie in ihrer Bilanz für das Nießbrauchsrecht keinen Wert ansetzen. Sie trat, was die Nutzung des Betriebsvermögens zur Einkunftserzielung betraf, wie ein Rechtsnachfolger an die Stelle des die Nutzungsberechtigung Überlassenden. Der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz findet auch auf die unentgeltliche Übertragung des Rechts zur Nutzung eines Betriebs in der Form der Bestellung eines dinglichen Nießbrauchs am Unternehmen entsprechende Anwendung.

Der Verpachtungsbetrieb des Sohnes ist auch nicht durch die Veräußerung der Hofstelle an einen Dritten aufgegeben worden.

Der BFH entschied, dass die Zahlung für die (teilweise) Ablösung des zum (notwendigen) Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen gehörenden (Zuwendungs-)Nießbrauchs im Wirtschaftsjahr 2009/2010 betrieblich und nicht privat veranlasst war. Sie erhöhte folglich das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen. Da sie für den Nießbrauch in ihrer Bilanz keinen Buchwert ansetzen konnte, war wegen der Entlassung des verkauften Grundbesitzes aus der Pfandhaft andererseits keine Betriebsvermögensminderung eingetreten. Entsprechend war der Gewinn der Steuerpflichtigen für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 entsprechend zu erhöhen.

BFH, Urteil vom 8.5.2019, VI R 26/17, veröffentlicht am 19.9.2019.
 
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