Vorlage an BVerfG: Ist das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen verfassungswidrig?
BGH v. 14.12.2018 - XII ZB 292/16Der heute 24-jährige Antragsteller und die 17-jährige Betroffene sind syrische Staatsangehörige. Sie wuchsen im selben Dorf in Syrien auf. Im Februar 2015 hatten sie vor einem Scharia-Gericht in Syrien geheiratet. Aufgrund der Kriegsereignisse flüchteten sie über die sog. "Balkanroute" nach Deutschland, wo sie im August 2015 ankamen. Nach ihrer Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung wurde die Betroffene, die bis dahin seit Februar 2015 mit dem Antragsteller zusammengelebt hatte, im September 2015 vom Jugendamt in Obhut genommen, vom Antragsteller getrennt und in eine Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge verbracht. Das AG stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest und ordnete Vormundschaft durch das Stadtjugendamt an.
Der Antragsteller, der zunächst nicht wusste, wohin die Betroffene verbracht worden war, wandte sich im Dezember 2015 an das AG und beantragte eine Überprüfung der Inobhutnahme sowie die Rückführung der Betroffenen. Das AG deutete das Begehren des Antragstellers in einen Antrag auf Regelung des Umgangsrechts zwischen dem Antragsteller und der Betroffenen um und regelte das Umgangsrecht dahingehend, dass die Betroffene das Recht habe, jedes Wochenende von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 17 Uhr mit dem Antragsteller zu verbringen.
Das OLG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vormunds, mit der dieser ein Umgangsrecht von nur einmal wöchentlich in der Zeit von 14 bis 17 Uhr in Begleitung eines Dritten erreichen wollte, zurück; zugleich hob es die Entscheidung des AG von Amts wegen auf, weil dem Vormund wegen der auch in Deutschland gültigen Ehe keine Entscheidungsbefugnis für den Aufenthalt der Betroffenen zustehe.
Auf die Rechtsbeschwerde des Vormunds setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 (BGBl. I S. 2429) mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - ohne einzelfallbezogene Prüfung als Nichtehe qualifiziert wird, wenn der Minderjährige im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte.
Gründe:
Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Wirksamkeit der Ehe des Antragstellers und der Betroffenen nach deutschem Recht ab, weil eine wirksame Ehe eine Ausübung des dem Vormund nach §§ 1800, 1631 bis 1632 BGB zustehenden Sorgerechts dahingehend, dass die Betroffene nur einmal wöchentlich die Zeit von 14 bis 17 Uhr in Begleitung eines Dritten mit dem Antragsteller verbringen darf, ausschließt.
Der Senat ist der Überzeugung, dass die gesetzliche Anordnung der Unwirksamkeit der von einem noch nicht 16-jährigen Minderjährigen nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehe in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB - vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB - insofern mit Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als die Wirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht generell und ohne Rücksicht auf den konkreten Fall versagt wird, und - im Gegensatz zur Übergangsregelung für im Inland geschlossene Kinderehen nach Art. 229 § 44 Abs. 1 EGBGB - auch solche vor dem 22.7.2017 nach ausländischen Recht wirksam geschlossene Ehen unwirksam werden, die - wie die vorliegend zu beurteilende Ehe - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen auch nach deutschem Recht wirksam und nur aufhebbar waren.
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