27.05.2013

Vorprozessuale Anwaltskosten können im Berufungsverfahren als Streitwert erhöhender Hauptanspruch berücksichtigt werden

Vorprozessuale Anwaltskosten sind im Berufungsverfahren als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, soweit dem Kläger die zugrunde liegende Hauptforderung in erster Instanz aberkannt wurde und er sein Begehren mit der Berufung insoweit nicht weiterverfolgt. Soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung "emanzipiert" hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt.

BGH 26.3.2013, VI ZB 53/12
Der Sachverhalt:
Der Kastenwagen der Klägerin war im Dezember 2010 bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. An dem Unfall beteiligt war der Beklagte zu 1) als Fahrer eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw. Die anwaltlich vertretene Klägerin nahm ihren Kaskoversicherer in Anspruch, der Ersatz i.H.v. 6.740 € leistete. In der Fahrzeugversicherung ist der Klägerin im Jahr 2011 durch Rückstufung ein Rabattverlust i.H.v. 103,56 € entstanden. Mit der Klage machte sie Ersatz weiteren Schadens i.H.v. 2.555 € geltend. Darin enthalten war eine Kostenpauschale von 25 €. Daneben verlangte sie Ersatz weiterer 693,50 € für die vorgerichtliche Schadensregulierung, wovon 555,60 € auf Anwaltskosten entfielen, die durch die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers entstanden waren.

Das AG nahm eine Haftung der Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % an und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von rund 1.314 €. Dem Feststellungsantrag bezüglich des Anspruchs auf Ersatz des künftigen Rückstufungsschadens entsprach es zur Hälfte. Außerdem erkannte das Gericht zugunsten der Klägerin 156,50 € vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagten an. Im Übrigen wies es die Klage ab und führte aus, dass Ansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten und der Kosten für die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers nicht begründet seien.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein, mit der sie - über die ihr vom AG zugesprochenen Beträge hinaus - die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Anwaltskosten für die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers (555,60 €) sowie - unter Zugrundelegung eines höheren Gegenstandswerts und unter Ansatz einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr - Ersatz restlicher vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagten i.H. weiterer 231 € begehrte. Das LG verwarf die Berufung jedoch als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige. Die Beschwer der Klägerin betrage nur 555,60 €.

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss auf und wies die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Die Berufung war zulässig. Die von der Klägerin verlangten vorprozessualen Kosten von 231 € für die außergerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

Zwar wirken vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend, wenn dieser Hauptanspruch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Denn wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht, solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist. In diesem Fall sind geltend gemachte vorprozessuale Anwaltskosten als streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen.

Soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt wurde oder weil der Kläger die Hauptforderung aus anderen Gründen nicht weiterverfolgt, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung "emanzipiert" hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt. Das galt auch für den vorliegenden Fall, in dem das AG der Klägerin einen Teil der ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung aberkannt hatte und die Klägerin ihr Begehren mit der Berufung insoweit nicht weiterverfolgte. Somit umfasste der Wert des Beschwerdegegenstands nicht nur die im Berufungsverfahren geltend gemachte restliche Hauptforderung von 555,60 €, sondern erhöhte sich durch die daneben für die außergerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten verlangten 231 € auf über 600 €.

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