17.04.2012

Vorverlegung des Rückflugs um zehn Stunden kann Reiseveranstalter zum Schadensersatz verpflichten

Eine Vorverlegung des Rückflugs um zehn Stunden kann einen Reiseveranstalter zum Schadensersatz verpflichten. Ein solcher Reisemangel berechtigt Reisende grundsätzlich zur Selbstabhilfe und zur Erstattung der mit dem selbst organisierten Rückflug entstandenen Kosten, wenn sie zuvor dem Reiseveranstalter eine Abhilfefrist gesetzt haben oder eine solche Fristsetzung entbehrlich war.

BGH 17.4.2012, X ZR 76/11
Der Sachverhalt:
Der Lebensgefährte der Klägerin hatte im Februar 2009 für sich und die Klägerin bei der beklagten Reiseveranstalterin eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 369 € pro Person mit Rückflug am 1.6.2009 um 16.40 Uhr gebucht. In den vertraglich einbezogenen AGB behielt sich die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird. Außerdem wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, die auf Leistungsstörungen beruhen, ausgeschlossen.

Der Rückflug wurde schließlich am Vortag auf 5.15 Uhr des 1.6.2009 vorverlegt, wozu die Reisenden um 1.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte bemühten sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um 14.00 Uhr antraten und selbst bezahlten. Der Lebensgefährte der Klägerin trat ihr seine Ansprüche ab. Nach Geltendmachung von Reisemängeln zahlte die Beklagte an die Klägerin 42,16 €.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten allerdings die Rückzahlung des gesamten Reisepreises abzüglich 70 € für in Anspruch genommene Verpflegungsleistungen, die Erstattung von insgesamt 504,52 € Rücktransportkosten sowie Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit i.H.v. 480,80 € für sich selbst und 2.193,10 € für ihren Lebensgefährten. AG und LG gaben der Klage i.H.v. 25 € wegen Minderung des Reisepreises statt und wiesen sie im Übrigen ab. Die Ansprüche des Lebensgefährten konnten aufgrund der AGB nicht wirksam an die Klägerin abgetreten werden. Auch die Kosten der anderweitigen Rückreise müsse die Beklagte nicht erstatten, da diese auf einem eigenen Entschluss der Klägerin und ihres Lebensgefährten beruhte.

Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG war das in den AGB enthaltene Abtretungsverbot wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Reisenden unwirksam. Da es sich auf Gewährleistungsansprüche beschränkte, waren die Interessen des Reiseveranstalters nur von geringem Gewicht. Hingegen haben die Reisenden nicht selten das Bedürfnis, solche Ansprüche an einen ihrer Mitreisenden abzutreten, der wirtschaftlich (anteilig) die Kosten der Reise (mit)getragen hat.

Zwar hatte das LG in der Vorverlegung des Flugs um mehr als zehn Stunden zu Recht einen Reisemangel erkannt. Dieser berechtigt Reisende aber grundsätzlich auch zur Selbstabhilfe und zur Erstattung der mit dem selbst organisierten Rückflug entstandenen Kosten, wenn sie zuvor dem Reiseveranstalter eine Abhilfefrist gesetzt haben oder eine solche Fristsetzung entbehrlich war. Letzteres kann sich bereits aus den Umständen ergeben, etwa wenn der Reiseveranstalter den Reisemangel bewusst verursacht und ihn als unvermeidlich darstellt. Das LG muss im weiteren Verfahren prüfen, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte der Beklagten eine solche Frist zur Abhilfe gesetzt haben oder diese nach den Umständen entbehrlich war, sowie in welcher Höhe Kosten für den Rückflug tatsächlich angefallen waren.

Die Vorverlegung des Rückflugs stellte hingegen keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise dar. Dies konnte zwar nicht mit dem geringen Reisepreis begründet werden. Denn nach Bejahung eines Reisemangels kommt es vielmehr darauf an, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hatte und wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Da die Reisenden hier dem Reisemangel aber im Wesentlichen selbst abgeholfen hatten, war danach keine erhebliche Beeinträchtigung mehr zu erkennen, die zur Kündigung oder einer Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit berechtigen würde.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 47 vom 17.4.2012
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