Vorweggenommenen Erbfolge: Abgrenzung zwischen Zerschlagung und Verkleinerung eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs
FG Münster v. 22.5.2019 - 7 K 802/18 E
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ihren - zuvor verkleinerten - (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb auf eine ihrer Töchter bertragen oder diesen durch die zeitgleiche Übertragung sämtlichen Grundbesitzes zerschlagen hat. Die Klägerin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die sie als Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 2007 verstorbenen Ehemannes geerbt hatte und im Rahmen eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs verpachtete. Sie betrieb keine aktive Land- und Forstwirtschaft. Mit notariellem Vertrag übertrug sie sämtliche zu ihrem Betrieb gehörenden Grundstücke auf ihre Töchter T1 (anteilig rd. 72 %) und T2 (rd. 28 %).
Laut der notariellen Urkunde erfolgten die Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Übernehmerinnen. Der Besitzübergang wurde auf den Tag des Vertragsabschlusses bestimmt. Die Tochter T2 erklärte sich im Hinblick auf den ihr übertragenen Grundbesitz für abgefunden und verzichtete für sich und ihre Abkömmlinge auf alle Ausgleichs-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Daraufhin gingen bei dem Finanzamt entsprechende Veräußerungsanzeigen ein. Es teilte der Klägerin mit, dass ihr Betrieb nicht als Einheit vollständig auf eine der Töchter übertragen worden sei. Folglich liege keine Übertragung eines Betriebs zu Buchwerten, sondern eine Betriebszerschlagung vor. Soweit die Verkehrswerte der übertragenen Flächen die Buchwerte übersteigen würden, seien sie als Privatentnahme zu versteuern. Demzufolge berücksichtigte das Finanzamt im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid einen Entnahmegewinn i.H.v. rd. 274.000 € (Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft aus Veräußerungsgewinnen).
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie habe ihren Töchtern jeweils einen landwirtschaftlichen Teilbetrieb gem. § 6 Abs. 3 EStG übertragen. Jede der Töchter habe mehr als 3.000 qm erhalten. Während des Einspruchsverfahrens wurde das BFH-Urteil vom 16.11.2017 (VI R 63/15) veröffentlicht. Hierin führt der BFH aus, dass landwirtschaftliche Nutzflächen von mehr als 3.000 qm nicht allein im Hinblick auf ihre Größe landwirtschaftliche Teilbetriebe darstellen. Hierauf änderte die Klägerin ihre Einspruchsbegründung dahingehend, dass ihre Tochter T1 ihren landwirtschaftlichen Betrieb erhalten habe. Zur Abfindung ihrer Tochter T2 als weichende Erbin habe sie ein Grundstück aus dem Betrieb entnommen und ihr dies im Anschluss übertragen. Im Ergebnis liege nach wie vor keine Betriebsaufgabe vor. Lediglich das auf die Tochter T2 übertragene Grundstück sei steuerpflichtig entnommen worden. Das Finanzamt hielt an seiner Auffassung fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Ein landwirtschaftlicher (Eigentums-)Betrieb wird mit der Übertragung sämtlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen an Dritte aufgegeben. Denn der Grund und Boden ist für dessen Betriebsfortführung unerlässlich. Die bloße Verkleinerung eines Eigentumsbetriebs führt demgegenüber nicht zur Betriebsaufgabe. Das gilt auch dann, wenn die verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen eine ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr ermöglichen.
Eine Betriebsaufgabe liegt insbesondere dann vor, wenn im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden. Von einer solchen Betriebszerschlagung ist die Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs abzugrenzen, die nach § 6 Abs. 3 EStG unter Fortführung der Buchwerte stattfindet. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens stehen der Buchwertfortführung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben. Danach liegt hier eine - in vollem Umfang steuerpflichtige - Betriebsaufgabe (Betriebszerschlagung) und keine Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs vor.
Unmittelbar vor dem wirtschaftlichen Übergang des landwirtschaftlichen Grundbesitzes von der Klägerin auf ihre Töchter unterhielt die Klägerin einen landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betrieb. Dieser umfasste ausschließlich den in dem notariellen Übertragungsvertrag aufgeführten Grundbesitz. Demzufolge übertrug die Klägerin die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Sachgesamtheit zeitgleich auf mehrere Personen, ihre beiden Töchter. Diese Übertragung auf ihre - unstreitig nicht mitunternehmerschaftlich verbundenen - Töchter erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Töchter. Die möglicherweise von der Klägerin beabsichtigte Verkleinerung ihres landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betriebs durch eine Entnahme eines Grundstücks zur Abfindung einer weichenden Erbin - ihrer Tochter T2 - und Übertragung dieses verkleinerten Betriebs auf ihre Tochter T1 findet in der notariellen Urkunde keinen Anklang. Weiter spricht gegen eine Übertragung einer betrieblichen Sachgesamtheit i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG, dass die Klägerin jedenfalls infolge der Übertragung von rd. 28 % des landwirtschaftlichen Grundbesitzes auf ihre Tochter T2 nicht (mehr) die wesentlichen Betriebsgrundlagen ihres landwirtschaftlichen Betriebs auf ihre Tochter T1 übertragen hat.
Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger bei einer Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Einzelwirtschaftsgüter zurückbehalten. Diese Zurückbehaltung von Einzelwirtschaftsgütern steht einer Betriebsübertragung nicht entgegen, soweit es sich bei diesen zurückbehaltenen (Einzel-)Wirtschaftsgütern nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Behält ein Steuerpflichtiger hingegen wesentliche Betriebsgrundlagen zurück, so liegt keine Betriebsübertragung im Ganzen i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG, sondern eine Betriebsaufgabe vor. Behält ein Steuerpflichtiger bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs Grundbesitz zurück, ist dies für eine Betriebsübertragung im Ganzen schädlich, wenn es sich bei diesem Grundbesitz um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Laut BFH-Rechtsprechung stellen geringfügige Teilflächen (bis zu 10 %) keine wesentlichen Betriebsgrundlagen dar. Vorliegend hat die Klägerin von ihrem gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz rd. 72 % auf ihre Tochter T1 und rd. 28 % auf ihre Tochter T2 übertragen. Auch nach der absoluten Größe handelt es sich bei dem auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitz nicht um eine geringfügige Teilfläche. Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die Klägerin durch die Übertragung der Grundstücke auf ihre beiden Töchter den (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb zerschlagen hat.
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ihren - zuvor verkleinerten - (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb auf eine ihrer Töchter bertragen oder diesen durch die zeitgleiche Übertragung sämtlichen Grundbesitzes zerschlagen hat. Die Klägerin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die sie als Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 2007 verstorbenen Ehemannes geerbt hatte und im Rahmen eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs verpachtete. Sie betrieb keine aktive Land- und Forstwirtschaft. Mit notariellem Vertrag übertrug sie sämtliche zu ihrem Betrieb gehörenden Grundstücke auf ihre Töchter T1 (anteilig rd. 72 %) und T2 (rd. 28 %).
Laut der notariellen Urkunde erfolgten die Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Übernehmerinnen. Der Besitzübergang wurde auf den Tag des Vertragsabschlusses bestimmt. Die Tochter T2 erklärte sich im Hinblick auf den ihr übertragenen Grundbesitz für abgefunden und verzichtete für sich und ihre Abkömmlinge auf alle Ausgleichs-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Daraufhin gingen bei dem Finanzamt entsprechende Veräußerungsanzeigen ein. Es teilte der Klägerin mit, dass ihr Betrieb nicht als Einheit vollständig auf eine der Töchter übertragen worden sei. Folglich liege keine Übertragung eines Betriebs zu Buchwerten, sondern eine Betriebszerschlagung vor. Soweit die Verkehrswerte der übertragenen Flächen die Buchwerte übersteigen würden, seien sie als Privatentnahme zu versteuern. Demzufolge berücksichtigte das Finanzamt im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid einen Entnahmegewinn i.H.v. rd. 274.000 € (Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft aus Veräußerungsgewinnen).
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie habe ihren Töchtern jeweils einen landwirtschaftlichen Teilbetrieb gem. § 6 Abs. 3 EStG übertragen. Jede der Töchter habe mehr als 3.000 qm erhalten. Während des Einspruchsverfahrens wurde das BFH-Urteil vom 16.11.2017 (VI R 63/15) veröffentlicht. Hierin führt der BFH aus, dass landwirtschaftliche Nutzflächen von mehr als 3.000 qm nicht allein im Hinblick auf ihre Größe landwirtschaftliche Teilbetriebe darstellen. Hierauf änderte die Klägerin ihre Einspruchsbegründung dahingehend, dass ihre Tochter T1 ihren landwirtschaftlichen Betrieb erhalten habe. Zur Abfindung ihrer Tochter T2 als weichende Erbin habe sie ein Grundstück aus dem Betrieb entnommen und ihr dies im Anschluss übertragen. Im Ergebnis liege nach wie vor keine Betriebsaufgabe vor. Lediglich das auf die Tochter T2 übertragene Grundstück sei steuerpflichtig entnommen worden. Das Finanzamt hielt an seiner Auffassung fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Ein landwirtschaftlicher (Eigentums-)Betrieb wird mit der Übertragung sämtlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen an Dritte aufgegeben. Denn der Grund und Boden ist für dessen Betriebsfortführung unerlässlich. Die bloße Verkleinerung eines Eigentumsbetriebs führt demgegenüber nicht zur Betriebsaufgabe. Das gilt auch dann, wenn die verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen eine ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr ermöglichen.
Eine Betriebsaufgabe liegt insbesondere dann vor, wenn im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden. Von einer solchen Betriebszerschlagung ist die Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs abzugrenzen, die nach § 6 Abs. 3 EStG unter Fortführung der Buchwerte stattfindet. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens stehen der Buchwertfortführung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben. Danach liegt hier eine - in vollem Umfang steuerpflichtige - Betriebsaufgabe (Betriebszerschlagung) und keine Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs vor.
Unmittelbar vor dem wirtschaftlichen Übergang des landwirtschaftlichen Grundbesitzes von der Klägerin auf ihre Töchter unterhielt die Klägerin einen landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betrieb. Dieser umfasste ausschließlich den in dem notariellen Übertragungsvertrag aufgeführten Grundbesitz. Demzufolge übertrug die Klägerin die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Sachgesamtheit zeitgleich auf mehrere Personen, ihre beiden Töchter. Diese Übertragung auf ihre - unstreitig nicht mitunternehmerschaftlich verbundenen - Töchter erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Töchter. Die möglicherweise von der Klägerin beabsichtigte Verkleinerung ihres landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betriebs durch eine Entnahme eines Grundstücks zur Abfindung einer weichenden Erbin - ihrer Tochter T2 - und Übertragung dieses verkleinerten Betriebs auf ihre Tochter T1 findet in der notariellen Urkunde keinen Anklang. Weiter spricht gegen eine Übertragung einer betrieblichen Sachgesamtheit i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG, dass die Klägerin jedenfalls infolge der Übertragung von rd. 28 % des landwirtschaftlichen Grundbesitzes auf ihre Tochter T2 nicht (mehr) die wesentlichen Betriebsgrundlagen ihres landwirtschaftlichen Betriebs auf ihre Tochter T1 übertragen hat.
Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger bei einer Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Einzelwirtschaftsgüter zurückbehalten. Diese Zurückbehaltung von Einzelwirtschaftsgütern steht einer Betriebsübertragung nicht entgegen, soweit es sich bei diesen zurückbehaltenen (Einzel-)Wirtschaftsgütern nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Behält ein Steuerpflichtiger hingegen wesentliche Betriebsgrundlagen zurück, so liegt keine Betriebsübertragung im Ganzen i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG, sondern eine Betriebsaufgabe vor. Behält ein Steuerpflichtiger bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs Grundbesitz zurück, ist dies für eine Betriebsübertragung im Ganzen schädlich, wenn es sich bei diesem Grundbesitz um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Laut BFH-Rechtsprechung stellen geringfügige Teilflächen (bis zu 10 %) keine wesentlichen Betriebsgrundlagen dar. Vorliegend hat die Klägerin von ihrem gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz rd. 72 % auf ihre Tochter T1 und rd. 28 % auf ihre Tochter T2 übertragen. Auch nach der absoluten Größe handelt es sich bei dem auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitz nicht um eine geringfügige Teilfläche. Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die Klägerin durch die Übertragung der Grundstücke auf ihre beiden Töchter den (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb zerschlagen hat.
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