25.07.2014

Wahrung der Frist für Widerspruch gegen stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses durch "demnächst" zugestellte Räumungsklage

Die Frist für die Erklärung des Widerspruchs gegen die stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses (§ 545 Abs. 1 BGB) wird durch eine vor Fristablauf eingereichte und gem. § 167 ZPO "demnächst" zugestellte Räumungsklage gewahrt. Derjenige, der mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt.

BGH 25.6.2014, VIII ZR 10/14
Der Sachverhalt:
Der 63-jährige Beklagte ist der Sohn der ursprünglichen Klägerin, die nach der Berufungsverhandlung verstorben ist. Ihr stand ein Nießbrauchsrecht an einem Einfamilienhaus zu, in dem der Beklagte seit seiner Geburt lebt und derzeit zwei Zimmer bewohnt. Eigentümer dieses Einfamilienhauses ist ein Bruder des Beklagten, der den Prozess in der Revisionsinstanz auf Klägerseite fortführt.

Jedenfalls seit Sommer 2011 bestand eine Vereinbarung zwischen dem Beklagten und seiner Mutter, wonach er für die Nutzung der Räume eine monatliche Miete von 120 € zu entrichten hatte. Mit Anwaltsschreiben vom 5.1.2012 (Donnerstag) kündigte die Mutter des Beklagten das Mietverhältnis "zum nächstmöglichen Termin" und wies u.a. darauf hin, dass sie von der Kündigungsmöglichkeit gem. § 573a BGB Gebrauch mache, weil es sich um Räumlichkeiten innerhalb ihrer eigenen Wohnung handele. Der Beklagte zog aus den Räumlichkeiten nicht aus.

AG und LG gaben der am 7.8.2012 eingereichten und dem Beklagten am 22.9.2012 zugestellten Räumungsklage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger ist als Eigentümer des Grundstücks und Sonderrechtsnachfolger seiner Mutter (§ 1056 Abs. 1, § 566 Abs. 1 BGB) befugt, den Räumungsanspruch aus § 546 BGB weiterzuverfolgen. Nach dieser Vorschrift ist der Beklagte zur Räumung und Herausgabe der beiden von ihm bewohnten Zimmer an den Kläger verpflichtet.

Die mit Schreiben vom 5.1.2012 gem. § 573a BGB erklärte Kündigung hat das Mietverhältnis beendet. Gem. § 573a Abs. 1 und 2 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum innerhalb der von ihm selbst bewohnten Wohnung kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses i.S.d. § 573 BGB bedarf. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Mietverhältnis ist nicht nach § 545 BGB fortgesetzt worden. Nach § 545 S. 1 BGB verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietsache fortsetzt und keine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen der anderen Partei binnen zwei Wochen mitteilt.

Das Mietverhältnis endete hier mit Rücksicht darauf, dass das Mietverhältnis erst seit August 2011 bestand und deshalb gem. § 573c Abs. 1 S. 1, § 573a Abs. 1 S. 2 BGB eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten war, mit Ablauf des 31.7.2012. Daher kommt es entscheidend darauf an, ob die (frühere) Klägerin der Fortsetzung des Mietverhältnisses binnen zwei Wochen ab diesem Zeitpunkt widersprochen hat. Ein solcher Widerspruch liegt in der am 7.8.2012 eingereichten und am 22.9.2012 dem Beklagten zugestellten Räumungsklage. Wie das LG rechtsfehlerfrei festgestellt hat, ist die Klageschrift dem Beklagten ohne der Klägerin zuzurechnende Verzögerungen und deshalb "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO zugestellt worden. Dem LG ist insbes. darin beizupflichten, dass die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage auch für die Widerspruchsfrist des § 545 BGB gilt.

Der BGH hat zwischenzeitlich seine frühere, restriktive Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass § 167 ZPO regelmäßig auch auf Fristen anzuwenden ist, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können. Er hat dabei vor allem auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgestellt. Der Wortlaut des § 167 ZPO bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung davon abhängt, ob mit der Zustellung eine nur gerichtlich oder auch eine außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden soll und ob die Zustellung durch Vermittlung des Gerichts oder eines Gerichtsvollziehers (§ 132 BGB) erfolgt. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahre.

Für die Wahrung der in § 545 BGB bestimmten Frist gilt nichts anderes, auch insoweit findet § 167 ZPO Anwendung. Eindeutiger als durch die Einreichung einer Räumungsklage kann der Vermieter seinen Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB nicht zum Ausdruck bringen. Derjenige, der mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich aber darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt. Ein rechtzeitiger Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses kann mithin auch dadurch erfolgen, dass innerhalb der Widerspruchsfrist eine Räumungsklage eingereicht wird, deren Zustellung "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO erfolgt.

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